: Schluss mit lustig
„Aber ich liebe euch doch alle“, mit diesen Worten war der Minister für Staatssicherheit der DDR, Erich Mielke, von der Bühne abgetreten, ein schlechter Witz, aber alle haben gelacht. Und so ging es munter weiter: die Verfilmungen von Thomas Brussigs Buchvorlagen von „Helden wie Wir“ und „Sonnenallee“ – Die Stasi als Hort von urkomischen Schießbudenfiguren mit seltsamen Mänteln. Nicht schlimm, sich über das Grauen lustig zu machen oder gar auf Gräbern zu tanzen, solange sich die Vergangenheitsbewältigung nicht darauf beschränkt. Gut also, dass die neue Ernsthaftigkeit jetzt auch den Umgang mit der DDR-Geschichte erfasst hat – eine Auseinandersetzung jenseits von Spreewaldgurken und sonstiger nostalgischer Verklärungslyrik. Der aktuell in den Kinos laufende Film „Das Leben der Anderen“ von Florian Henkel von Donnersmarck schlägt ganz andere Töne an. In seinem Debütfilm erzählt er die Geschichte eines Theaterregisseurs, der 1984 in der DDR von der Staatssicherheit beobachtet wird. Bitterernste Töne, die Andreas Kilb in der FAZ zu der Frage anregten: „Konnte nur ein Westdeutscher ‚Das Leben der Anderen‘ drehen?“
In Berlin herrscht zurzeit eine erregte Debatte über die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit: Im Februar hatten in Anwesenheit des Berliner Kultursenators Thomas Flierl (PDS) ehemalige MfS-Mitarbeiter gegen ihre vermeintliche Stigmatisierung als Täter protestiert und ihre einstigen Opfer als rechtmäßig überführte Verbrecher bezeichnet. Und dies ausgerechnet während einer Diskussion zur Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, die in ebendiesem Gebäude stattgefunden hatte. Thomas Flierl wurde im Anschluss vorgeworfen, diesen Anwürfen nicht entschieden genug entgegengetreten zu sein, woraufhin im Abgeordnetenhaus von Berlin eine Aktuelle Stunde zum Thema „Berlin duldet keine Verhöhnung der Stasi-Opfer durch die Täter“ einberufen wurden. Jens Bisky, einst Opfer der geheimdienstlichen Umtriebe des eigenen Lebenspartners, schrieb daraufhin, die Debatte aufnehmend, in der Süddeutschen: „Die harten Stasi-Debatten stehen uns noch bevor. Die Täter können sich allerdings darauf berufen, dass die Staatssicherheit, anders als die Gestapo, nie zur ‚verbrecherischen Organisation‘ erklärt worden ist.“
Marianne Birthler, Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, beklagte jüngst die zunehmend „aggressive Propaganda“ früherer Stasi-Mitarbeiter. Dies sei alarmierend, denn die SED-Diktatur sei nicht harmlos gewesen: „Es hat 250.000 politische Gefangene gegeben, darunter viele, deren Leben zerstört wurde“, erklärte Birthler. Im Gegenzug gebe es ein „neues, waches Interesse an der kritischen Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit“, gerade bei Jüngeren.
Derzeit im Rampenlicht ist der Fall des Eiskunstlauftrainers Ingo Steuer, der für seine Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi überdurchschnittlich hohe Prämien kassiert hat. Wie die Vorsitzende der Unabhängigen Stasi-Kommission des deutschen Sports, Hanna-Renate Laurien, am Mittwoch vor dem Sportausschuss des Bundestages berichtete, sei Steuer ein regelrechter „Spitzenverdiener“ gewesen. 4.000 DDR-Mark hatte er im Quartal bezogen und dafür im Laufe seiner Tätigkeit insgesamt 84 Berichte – 38 handschriftliche, 38 mündliche und 8 Tonbandaufnahmen – über Mannschaftskameraden geliefert. IM „Torsten“ war nach Angaben von Laurien einer „bezahlten Agententätigkeit“ nachgegangen. Die Unabhängige Kommission hat bisher insgesamt 51 Fälle von Stasi-Tätigkeit überprüft, in etwa einem Viertel der Fälle wurde dem Deutschen Sportbund die Empfehlung gegeben, den Betreffenden weiterzubeschäftigen.
MARTIN REICHERT