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Archiv-Artikel

Schlechter Geschmack

betr.: „Zwischen zwei Toden“, taz vom 18. 12. 04

Das wiederholende Bedauern über das angeblich entstellte Gesicht Juschtschenkos (wegen Dioxinvergiftung) empfinde ich als peinlich und entnervend. Dass er Opfer eines Mordversuchs ist und ein Recht auf angemessenes Schmerzensgeld hat, steht wohl außer Frage.

Aber unabhängig von diesem rechtlichen Aspekt: Was wir sehen, ist Juschtschenko, und er sieht stark mit einem markigen Akzent aus – nicht wie ein Grünschnabel. Es wäre mir eine Freude, mit ihm über ökonomische und ökologische Probleme und das Verhältnis zur EU zu diskutieren. Wenn aber der Autorin Isolde Charim kein anderes Thema einfällt als die Frage, ob „so jemand“ mit Pickeln (was sie herablassend „fratzenhaft“, „entsetzlich“ und „entstellt“ nennt) überhaupt in der Zivilisation noch akzeptiert wird (egal mit welchem IQ), ärgert mich das. Wie verhält sie sich Menschen gegenüber mit krummer Nase? Naserümpfend?! Und wie mit einer Glatze? Dies zeigt Arroganz, basierend auf reiner Vordergründigkeit, und einem verbohrten Ideal, welches in Deutschland schon einen 60-jährigen Bart hat. Menschen mit „Dauerwelle“-Pickeln, Barbra-Streisand-Nase, Telly-Savallas-Glatze oder Gorby-Fleck: Bedauert die arme Isolde Charim und ihre Leidensgenossen mit ihrem schlechten Geschmack! KLAUS BUGGISCH, Karlsruhe