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Schlapphut auf Abwegen

■ Bremer Verfassungsschützer wollte 6,3 Millionen erpressen

„Eine Verurteilung liegt vor“, sagt die Sprecherin des Bremer Innenressorts. Mehr möchte sie nicht dazu sagen. Verurteilt ist der Beamte des Verfassungsschutzes H. Aber warum bloß?

H. hatte versucht, mit Nebengeschäften besonderer Art sein Salär aufzubessern: Für Bekannte und Freunde hatte er Geldanlagen bei verschiedenen Liechtensteinischen Finanzinstitutionen mit königlich klingenden Namen vermittelt. Der Vermittler und Geldbote P. hatte horrende Gewinnspannen versprochen. Und es kam, wie es kommen mußte: irgendwann einmal war Herr P. spurlos verschwunden. Im April 1992 hatte eine der Katzengoldfirmen in Vaduz Konkurs gemacht.

Unser Verfassungsschützer geriet zunehmend unter Druck seiner Freunde - insgesamt ging es um 6,3 Millionen Mark. Als Mann vom Fach ruhte er nicht, bis er über eine private Detektei herausbekam, daß der Kontaktmann und Geldbote P. in Zürich am Rennweg ein Büro besaß. Der Verfassungsschützer - polizeiliche Befugnisse hat er auch im Dienst nicht - packte Handschellen und einen Gummiknüppel ins Handgepäck und fuhr mit einem Kumpel nach Zürich.

Dort, stand später in der Anklageschrift, habe er versucht, P. in seinem Wagen zu entführen. Er habe mit dem Gummiknüppel vor der Nase des Herrn P. herumgefuchtelt..Bei der Verhandlung erinnerte sich der Verfassungsschützer nicht mehr daran. Unbestritten war zwischen den Männern aber, daß der Bremer Verfassungsschützer den P. um Mitternacht mit den deutschen Handschellen an einen Tisch gekettet hatte. Zuvor hatte P. drei Vollmachten unterschrieben - während der Verfassungsschützer sein Opfer bewachte, ging ein Kumpel damit zur Bank. Als der ohne Geld zurückkam, müssen die beiden Deutschen wütend geworden sein - P. berichtete der Staatsanwaltschaft, er sei getreten und mit dem Gummiknüppel geschlagen worden. Bis es an der Tür klingelte und P. nach Polizei und Hilfe rufen konnte. Räuberische Erpressung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung - die strafrechtliche Beschreibung eines derartigen Tatherganges ist eindrucksvoll.

18 Monate Gefängnis hatte die Züricher Staatsanwaltschaft gefordert.Trotz des ergangenen rechtskräftigen Urteils ist der Mann weiter im bremischen Verfassungsschutz tätig. Es müsse zunächst geprüft werden, ob auch nach deutschem Recht ein entsprechendes Urteil ergangen wäre, hieß es aus der Innenbehörde. Und wenn das so wäre, dann müsse geprüft werden, „ob das Auswirkungen auf deutsches Beamtenrecht hat“. Die Prüfung scheint wirklich kompliziert zu sein - sie dauert noch an. Das Urteil des Bezirksgerichts Zürich stammt aus dem Juli 1993. K.W.

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