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■ SchlaglochManifest eines Besserverdienenden Von Friedrich Küppersbusch

„Nehmen Sie die ganze Kohle und geben Sie sie beim Finanzamt ab. Da sparen Sie am meisten.“

Mein Steuerberater,

Köln 1997

Dazu macht er eine Geste wie Wasserschöpfen mit beiden Händen und reicht die Luft zwischen seinen Fingern von sich weg, weg, weg. Mit jedem Luftvermögen, das er gen Waigel opfert, blickt er mich fröhlicher an: Was wollen Sie mit einem Bruchteil Containerschiff? Vermieter in Dresden? Berlinprofiteur? Belgien? Ein Jet-Leasing- Modell? Ein Magengeschwür bekäm' ich raus, sagt er. Als ein Mann, der seinen Klienten wohl will und deshalb Lebensfreude unterstellt, warnt er mich vor den 1.000 ganz legalen Steuertricks und rät zum finalen Steuervorteil: zahlen. Und Ruhe.

Tjahaaa aber ... und bevor ich dem langjährigen Finanzmann meines Vertrauens hier die Margarethe mache, gebe ich auch schon beschämt auf, nicke und bitte ihn, den Worten Daten folgen zu lassen. Er hat verdienstvolle Kommaschlachten um Kinderfreibeträge geschlagen, er hat an der Journalistenpauschalenfront keinen Millimeter Freibetrag verschenkt, er hat die Finanzämter der Welt gesehen. Ja, ich verdiene Geld und zahle Steuern. Eines Tages kommt es ja doch raus. Ich erwarte dafür nix als Ruhe, auch und gerade vor den „Hä hä, Doofmann, wer schmeißt denn heute Geld weg?“- Besserwissern.

Der Soli muß weg. Die Vermögensteuer ist weg. Die Gewerbekapitalsteuer soll weg. Die Spitzensteuer kann nicht so hoch bleiben. Die Gewerbesteuer muß runter. Die Krankenkassen- und Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge müssen runter. Die Löhne und Gehälter sollten ein paar Jahre unter der Preissteigerung bleiben. Mehrwert- und Mineralölsteuer dürfen jedenfalls nicht steigen. Die Renten müssen sinken. Sozial- und Arbeitslosengelder sind zu hoch. Die Krankenkassen bezahlen zuviel.

Toll. Noch nie war die Lage so kompliziert und zugleich die Lösung so einfach. In einem Prozeß unausgesetzter Gehirnwäsche, an dem spätere Soziologengenerationen ihre Freude haben werden, gelang es wuchtig und doch unauffällig, die Welt auf den Kopf zu stellen. Je wohlhabender man ist, desto heftiger protestiert man gegen jeden Groschen Abgabe. Je geringer man verdient, desto schamhafter hat man sich für jeden Pfennig zu entschuldigen, den man einsteckt. War auch schon mal andersrum. Ruf deinen FDP-Abgeordneten nachts um vier Uhr an, nenn ihm irgendeinen Posten, und er reflext: „... muß runter ...“ Kann man ruhig machen, dafür wird der nicht extra wach.

In der ehedem paritätischen, also von Firma und Versichertem zu gleichen Teilen finanzierten Krankenversicherung zahlt man heute, über Zuzahlung vor allem, rund 70 Prozent, die Firma 30 Prozent. Fürs Alter empfiehlt die Bundesregierung schon jetzt, eine zweite Rente allein zu finanzieren. Zahlt der Chef nix dazu. Die Pflegeversicherung erarbeitet der Lohnempfänger komplett allein, ja, Herr Blüm, Herr Dreßler, das Prinzip ist theoretisch gerettet, feine Sache, aber den Tag mehr arbeitet man doch. Die Arbeitslosenversicherung überweist fast täglich weniger und hat – bleiben Sie doch noch einen Moment da, Herr Blüm – und hat über ein Jahrzehnt via Vorruhe den Betrieben das Aussortieren älterer Mitarbeiter bezuschußt. „Altersverschrottung“ nennen Sie das, Herr Blüm? Sie müssen es wissen, Sie haben es damals erfunden.

Zwischenbilanz: vier Säulen der Sozialversicherung, ehedem paritätisch, heute allesamt zwischen 70 und 100 Prozent von der Belegschaft finanziert, zum Teil indirekt über Steuerzuschüsse. Wenn das der Bismarck wüßte. Ja, der, der beim Lambsdorff überm Schreibtisch hängt. Einigermaßen auf Grund geschröpft, hat der Normalzahler dann natürlich volles Rohr Verständnis für die weiteren Klagen. Ihm bleibt immer weniger übrig, also brummt's. „Genau!“, wenn die Unternehmerfunktionäre vom Standort jammern und vom Steuerstaat. Wer von denen so alles privat krankenversichert ist, mit Arbeitslosenbeitrag nix am Golfkäppchen hat, seine Rente mit ein paar leckeren Lebensversicherungen aufrüscht und überhaupt jenseits jeder Bemessungsgrenze rumschwadroniert, wird übersehen.

Nun geht's gemeinsam gegen die Mineralölsteuer – die hätte man statt Kohlepfennig schon vor zwei Jahren „aufkommensneutral“ anheben können, aber das weiß doch keiner mehr. Und gegen den Soli. „Ein Drittel des Soli zahlen die Unternehmen!“ poltert FDP-Chef Gerhardt. Is ja irre: Nicht mehr? Und am Ende gibt's eine Mehrwertsteuererhöhung. Wer viel konsumiert, zahlt viel MWSt, wer weniger konsumiert, weniger. Wer seine 1.000 Mark Rente zum Supermarkt trägt, ist voll mit dabei, wer von 10.000 Mark Gehalt 3.000 verkonsumiert, spart MWSt auf 7.000 Mark. Vermutlich deshalb heißt sie in Bonn zur Zeit „die sozialste Steuer“. Oder weil die SPD- Ministerpräsidenten sich bereits heftig über ihren 49,5-Prozent-Anteil daran freuen, für den Stolpe und Schröder schon mal eingeknickt sind.

Das „Muß runter“-Mantra also taugt vorne und hinten nicht, ist allenfalls ökonomischer Haiderismus und hat, siehe Hamburg, seinen Zenit womöglich überschritten: 3,5 Prozent der Wähler dort wollten die „Aua, meine Brieftasche platzt“-Partei noch haben. Aber das kann nur ein Anfang sein. Es ist fürderhin mit Empörung zurückzuweisen, wenn irgendwelche hergelaufenen Hanseln sich anmaßen, für Deutschlands Besserverdienende sprechen zu dürfen. Sie stellen den Wohlhabenden an sich als kleinkarierte, asoziale Ratte dar, die erst mal fett zu mästen sei, damit's allen wieder prima geht. Oder wenigstens ihm.

Es muß möglich werden, lieber Soli zu zahlen, als mit Rexrodt verwechselt zu werden. Es gibt ein Menschenrecht, keinen Bock auf Abschreibungsmodelle zu haben. Ich verbitte mir, von FAZ-Kommentatoren bemitleidet zu werden. Es gibt ein Millionenheer von abwechslungshalber mal nicht Arbeitslosen, sondern ganz hübsch Versorgten in diesem Land. Sie mißbilligen schweigend die eklige Hetze gegen jeden, der 'ne Mark vom Staat bekommt. Und müssen ebenso schweigend hinnehmen, daß frühere und künftige Umverteilungsschritte als Guthaben auf ihren Konten landen. Nein, müssen sie nicht. Im Grundgesetz steht „Eigentum verpflichtet“, und zwar ab sofort dazu, sich der Kohle nach Kräften zu erfreuen und sich vom politisch korrekten Geiz freizuhalten. Wer immer, von Lokalzeitung an aufwärts, an der Debatte mitberichtet und mitbastelt, möge seinen Gehaltsstreifen ausdeuten, bevor er noch einen wohlfeilen „Muß weg!“-Kommentar verübt.

Es ist insbesondere den Bündnisgrünen anzuraten, nicht nur strammstolz darauf zu sein, daß man inzwischen große Teile der früher sozialliberalen Klientel hinter sich versammelt. Sondern auch damit zu wuchern, daß diese „wohlhabende, eher großstädtische“ Anhängerschaft doch nicht ganz so gewaltig einen an der Waffel hat, wie ihre Monatseinkünfte angeblich nahelegen.

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