Schim-an-eck : Zeit für Veit
Na, das war ja ein Reinfall gewesen. Übellaunig kam ich letzten Samstag von der Balettpremiere „Veitstanz“ im MIR zurück. Mussten es denn schon wieder diese armen, abgerackerten, spindeldürren Tänzerinnen sein. Hätten denn nicht ausnahmsweise welche mit üppigem, anarchischem Hintern drankommen können, so wie ja auch das Wesen des Veitstanz ist. Dabei wären doch die Zuschauer gleich in eine ganz andere Stimmung geraten. Ich begann in eigenen Vorstellungen zu schwelgen...
Als ich mich später zur Nacht fertig machte, entdeckte ich, dass meine Toilette verstopft war. Bis zum Rand schwappte die braune Brühe, in der sich zahlreiche Kotklümpchen wiegten. Ja, wie konnte denn das so plötzlich passieren? Wahrscheinlich wieder son Bergschaden, der uns die Häuser schief stellt, die Abflussrohre verbiegt und die Verstopfungen besorgt.
Zu später Stunde brachte mir dann mein hilfsbereiter Nachbar eine Drahtspindel vorbei, die bekanntlich auch die dicksten Haufen durchkriegt. Ich legte los und kurbelte bis mir die Handflächen brannten und der Schweiß tropfte. Aber nix. Ich machte weiter. Aber wieder nix. Schließlich gab ich auf und verfügte mich laut fluchend ins Bett.
Am nächsten Tag, einem Sonntag, durfte ich zum Glück die Toilette unserer Eckkneipe gegenüber benutzen. Am Montag früh standen zwei Handwerker auf der Matte, die sofort ihre fast zehn Meter lange Spindel in action brachten. Aber wie sehr sie sich auch mühten und machten, sie kriegten das Biest einfach nicht um die Kurven rum, weil es wohl zu dick war. Wir versuchten unser Glück von oben, von meiner Nachbarin aus und spindelten das Hauptabflussrohr hinab. Später checkten wir auch den Hauptabfluss im Keller und wurden schnell fündig: Strumpfhosen, Topfblumen, Geschirr. Wir sahen uns am Ziel unserer Bemühungen. Aber als wir meine Toilette betraten, war das Klobecken noch immer randvoll.
Tja, meldete sich da einer der Handwerker, dann müssen wir dat Ding wohl raushauen undn neues reintun. Und war sogleich anne Bodenschrauben dran. Plötzlich machte es aus dem Porzellan klirr, krach, knall und dann ergoss sich eine Flut herbstlich brauner Brühe über unsere Schuhe. Wir versuchten mit schnellen Tanz-, Platsch- und Trippelschritten auszuweichen und wären dabei fast über uns selber gestolpert. Überall breitete sich die Soße aus: in Flur, Bad und Küche. Eine Kotschlange verschwand sogar unter dem Teppichboden vom Schlafzimmer.
Ich könnte ja alles schon mal sauber machen, meldete sich da einer der Kumpels, sie würden in der Zwischenzeit schon dat neue Becken holen. Und damit stakte er mit seinem Kollegen nach draußen. Auch wenn es mir vor dem Reinemachen schon schauderte, so musste ich doch voller Befriedigung feststellen, dass dies hier gerade eine hundertmal echtere Veitstanzperformance gewesen war und zwar in jeder Hinsicht, als alles was ich am Samstag in unserer Oper gesehen hatte.
Jürgen Schimanek