Schiffsunglück vor Neuseeland: Die Angst vor dem Sturm
Bergungsfachleute versuchen, 1.350 Tonnen Schweröl aus dem gestrandeten Frachter "Rena" abzusaugen. Unter Lebensgefahr. Denn das Schiff ist kurz vor dem Untergang.
SYDNEY taz | Die Nerven der Bergungsleute liegen blank. Er habe ein "nervenzerreißendes Reiben von Stahl gegen Stahl" gehört, als er am Sonntag mit seinem Schiff neben dem gestrandeten Frachter "Rena" den Anker warf, berichtete der neuseeländische Kapitän Jon Walker. Walker leitet die internationale Truppe von Fachkräften, die seit Tagen versuchen, Öl aus dem Schiff abzupumpen, das am Mittwoch 20 Kilometer vor der Küste Neuseelands auf ein Riff gelaufen und leckgeschlagen war.
Möglicherweise hatten der inzwischen verhaftete Kapitän und sein Steuermann eine Abkürzung nehmen wollen, um früher im Hafen von Tauranga einlaufen zu können, hieß es aus Wellington.
Immerhin gelang es nun einer Mannschaft, auf die "Rena" zu kommen. Die Bergungsfachleute sollen versuchen, die noch im Wrack verbliebenen rund 1.350 Tonnen Schweröl abzupumpen, bevor das mit Hunderten Containern beladene Schiff auseinanderbricht. "Man kann den Stahl hören, wie er gegen den Felsen kracht", so Walker. "Und im Schiff hört man auch die Bewegungen der Container auf Deck. Das geht ganz schön an die Nerven." Die Arbeiten gehen wegen der Instabilität des sich stark neigenden Schiffes nur langsam voran.
Bisher nur zehn Tonnen Öl abgepumpt
Mit einer eigens eingeflogenen Schraubpumpe wird der Treibstoff abgesaugt. Das toxische Schweröl ist nicht flüssig wie Dieselöl, sondern hat die Konsistenz eines Brotaufstrichs. Unter diesen Bedingungen konnte das Team bis Sonntagabend Ortszeit nur knapp 10 Tonnen Öl aus dem Schiff pumpen. Bis zu 500 Tonnen sind bereits in den Südpazifik gelangt. Neuseeland erlebt damit seine bislang schwerste Umweltkatastrophe.
Die Behörden fürchten, dass das Schiff jede Minute auseinanderbricht. Der Rumpf ist an verschiedenen Stellen eingerissen. Während der Vorderteil auf dem Riff liegt, hängt das Hinterteil über einer mehr als 50 Meter tiefen Unterwasserschlucht. Das neuseeländische meteorologische Institut sagte für die Nacht zwar ruhiges Wetter voraus, warnte aber vor einer erneuten Verschlechterung am heutigen Montag. Ein Sturm dürfte der "Rena" nach Expertenansicht den Rest geben.
Nicht klar ist, ob und wie viel Öl weiter in die Plenty-Bucht läuft, die eines der bekanntesten Naturreservate Neuseelands ist. An den Stränden entfernen Tausende Freiwillige den hochgiftigen Treibstoff aus dem Sand. Mehrere hundert Tonnen Abfall wurden bereits eingesammelt. Auch der Inhalt mehrerer Container, die in den letzten Tagen vom Schiff gefallen waren, musste eingesammelt werden.
Wie die neuseeländischen Medien berichten, hindert die Bürokratie weitere Freiwillige an der Mitarbeit. Sie seien von Offiziellen von den Stränden gewiesen oder gar nicht zugelassen worden, klagten frustrierte Bewohner der Stadt Tauranga. Laut offiziellen Angaben haben sich etwa 4.200 Personen als freiwillige Helfer bei den Behörden registrieren lassen. Am Wochenende waren davon nur 2.000 im Einsatz. Laut Umweltminister Nick Smith sind bislang 70 Prozent aller ölverschmutzten Strände gereinigt worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut