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Schießbefehl ausgesetzt: Ein DDR–“Präsent“:

■ Parlamentarischer Staatssekretär Hennig (CDU): „Ein interessanter Vorgang“ vor Honecker–Besuch im September

Bonn (dpa) - Der Schießbefehl für Grenzsoldaten der DDR ist nach Angaben des Parlamentarischen Staatssekretärs Ottfried Hennig (CDU) vor dem Besuch von DDR–Staatschef Erich Honecker in der BRD aufgehoben worden. Hennig sagte in einem Rundfunkinterview, dies sei ein „interessanter Vorgang“, der zeige, daß man den Schießbefehl „auch ganz verschwinden lassen könnte“. Vor wenigen Wochen hatte bereits ein in den Westen geflüchteter DDR–Grenzsoldat berichtet, daß der Schießbefehl schon früher, z.B beim Reagan– Besuch in West–Berlin, periodisch ausgesetzt worden sei. Auch an bestimmten Tagen, wie etwa dem 17. Juni sei ausgesetzt worden. Hennig meinte jetzt, wenn nach dem Honecker–Besuch Anfang September an der Grenze zur DDR weiter geschossen würde, hätte sich der Besuch, was diesen Punkt anbelangt, nicht gelohnt. Zur Forderung im CSU–Organ Bayernkurier, Bundesarbeitsminister Blüm solle gegenüber Honecker wie im Fall Chile die Forderung nach Achtung der Menschenrechte erheben, meinte Hennig, „die Frage der Menschenrechte gilt für uns in Ost und West“. Es sei aber nicht sinnvoll, den Gast im Vorfeld des Besuchs „öffentlich zu beleidigen“. Die von der CSU ausgelöste Kontroverse hat inzwischen auch Eingang ins SED–Zentralorgan Neues Deutschland gefunden. Berichtet wird dort über die Kritik des SPD–Parteivorsitzenden Vogel in der Menschenrechtsfrage, die Verhältnisse in Chile mit denen der DDR zu vergleichen. In der ADN–Meldung wird auch Vogels Äußerung wiedergegeben, daß die DDR–Grenze immer noch eine „blutende Wunde“ sei. Staatssekretär Hennig betonte noch einmal, es sei gemeinsames Interesse, diesen Besuch ohne Rückschläge verlaufen zu lassen. Deshalb sollten keine Maximalforderungen gestellt werden. Seiner Ansicht nach könnte eine erneute Absage „nicht ohne gravierende negative Auswirkungen auf die Deutschlandpolitik bleiben“.

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