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Scheidende Juso-Chefin über ihre Pläne"Noch keine Gedanken über Rote Hilfe"

Die scheidende Juso-Chefin Franziska Drohsel mahnt, die Erneuerung der SPD gehe nicht von heute auf morgen. Einen eventuellen Wiedereintritt in den Rechtshilfeverein Rote Hilfe lässt sie offen.

"Die SPD weiterhin von links treiben": Juso-Chefin Drohsel. Bild: dpa
Interview von Timo Hoffmann

taz: Frau Drohsel, in Ihrem Rücktrittsbrief schreiben Sie, Sie hätten den Juso-Vorsitz "nie als Sprungbrett in die Berufspolitik gesehen", sondern wollten Ihre Ausbildung beenden. Brauchen Politiker Berufserfahrung?

Franziska Drohsel: Das sind Fragen, die jeder für sich entscheiden muss. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich meine Ausbildung beenden möchte.

Und wenn Sie diese haben, gehen Sie ganz in die Berufspolitik?

Franziska Drohsel

Die Juristin Franziska Drohsel, Jahrgang 1980, ist seit 2007 Bundesvorsitzende der Jusos. Auf dem Bundeskongress im Juni tritt sie von diesem Amt zurück. Sie begründet dies mit der Vorbereitung auf ihr Zweites Staatsexamen.

Ich möchte immer politisch aktiv bleiben. In welchem Rahmen, kann ich noch nicht absehen. Ich engagiere mich weiter in der SPD.

Ihre Amtszeit begann mit einem Streit über Ihre Mitgliedschaft in der Rechtshilfeorganisation Rote Hilfe, die der Verfassungsschutz als linksextrem einstuft. Nach Kritik traten sie dort aus. Gehen Sie nun zur Roten Hilfe zurück?

Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht.

Nach der SPD-Pleite bei der Bundestagswahl forderten Sie als eine der Ersten einen "radikalen Erneuerungsprozess" der Partei. Wo ist der geblieben?

Es gibt ihn, aber bei einer so großen Organisation geht das nicht von heute auf morgen.

Ein Streitpunkt in der SPD ist die Rente mit 67. An ihr wird im Prinzip nicht gerüttelt, sagt Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Es soll nur Ausnahmen für Schwerstarbeiter geben. Genügt das?

Die Rente mit 67 war ein Fehler, das wissen wir inzwischen. Das Entscheidende ist, dass Leute, die nicht mehr länger arbeiten können, nicht mehr länger arbeiten müssen. Wo das nicht möglich ist, darf nicht die Rente gekürzt werden. Wir werden in der Partei weiterhin dafür kämpfen, dass eine sozial gerechte Lösung gefunden wird.

Auch in Nordrhein-Westfalen kam ihre Wunschkoalition Rot-Rot-Grün nicht zustande. Enttäuscht?

Natürlich würden wir Jusos uns eine linke Regierung wünschen. Ich halte es für richtig, inhaltliche Forderungen aufzustellen, wie die NRW-SPD das getan hat. Sie kam zur Einschätzung, dass dies mit der Linkspartei nicht zu machen ist.

Die Linken lehnten die "Thüringer Erklärung" zur DDR als Unrechtsstaat ab. Was würden Sie bei Koalitionspartnern tolerieren? Wo wäre für Sie die Grenze, die nicht überschritten werden darf?

Die Aufzählung der Grenzen, die ich für unüberschreitbar halte, würde dieses Interview sprengen. An erster Stelle käme für mich die Ablehnung jeglicher Form von Antisemitismus, Nationalismus, Rassismus und Neonazismus. Beim Umgang mit der DDR kann ich Ihnen sagen, dass ich das Bekenntnis zur Demokratie und zum Rechtsstaat für existenziell notwendig halte.

Mit Ihrem Verein Institut Solidarische Moderne versuchen Sie, einer rot-rot-grünen Koalition den Boden zu bereiten. Wie soll das doch noch klappen?

Mein Ziel sind nicht Regierungsbündnisse, sondern Veränderungen in der Gesellschaft. Die erreicht man nur, wenn man sich mit den Akteuren, mit denen man sie umsetzen kann, inhaltlich auseinandersetzt. Wir müssen uns fragen: Was sind die Probleme unserer Gesellschaft? Was können Lösungen sein und mit wem kann man sie umsetzen? Genau solche Diskussionen führen wir in dem Institut.

Sie haben die Jusos weit nach links geführt. Fürchten Sie, dass die Organisation nun pragmatischer wird?

Nein, die Jusos sind ein Verband, in dem es eine große linke Mehrheit gibt. Ich habe keine Zweifel, dass die Jusos die SPD weiterhin von links treiben werden.

Parteichef Sigmar Gabriel will die Flügelkämpfe in der SPD beenden. Müssen die Jusos stiller werden?

Nein, wir dürfen auf keinen Fall zurückhaltender werden. Wir müssen offensiv kämpfen, sonst setzen wir nichts durch.

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17 Kommentare

 / 
  • W
    Wanderer

    Wenn ich ein paar dieser Kommentare lese, wird mir schon schlecht. Linke und Rechte gleichzusetzen ist so absurd, wie es nicht sein kann. Egal in welchem Zusammenhang. Die extreme Rechte hat Antisemitismus, Nationalismus, Rassismus und faschistoide Scheiße im Programm.

    Die radikale Linke dagegen kämpft dagegen. Und gegen diesen Staat, der sich in einem Finanzrausch den Investoren und Kaptialisten um den Hals wirft, und so viel Angst vorm eigenen Volk hat, dass es mit herbster Repression gegen jeden Zweifler vorgeht.

    Was kann man hier vergleichen?

    Es wurden mal Polizisten verletzt, weil sie einen Naziaufmarsch schützen wollten?- Naja, ihnen wär nix passiert, wenn sie einfach beiseite getreten wären. So steh ich zu dem Thema.

  • L
    Luftschloss

    Ich bin auch JF Leser und studiere trotzdem von Zeit zu Zeit die ein oder ander Ausgabe von konkret und der taz. Hier gibt es zumindest öfters klare Meinungen über die man streiten kann, nicht wie bei Spiegel und Co.

     

    Aber bei dem Interview mit Frau Drohsel langweilt man sich echt nur, da sind die Kommentare interessanter.

  • MB
    Mr. Burns

    @ unbequemer

    Schön, dass es Sie gibt!

     

    Es würde vielen taz-Lesern und Unterstützern der Roten Hilfe gut tun, von Zeit zu Zeit über den Tellerrand zu schauen und die JF zu lesen. Einseitige Lesegewohnheiten verhindern den Überblick im größeren Maßstab. Aber sind die Gewohnheits-Taz-Leser am Erkennen von Zusammenhängen wirklich interessiert?

  • SS
    Steff Sch.

    wer von der Roten Hilfe Unterstützung haben will muss schon der richtigen Ideologie anhängen. Dann können auch Gewalttäter auf Hilfe hoffen. Damals"Freiheit für RAF Mitglieder" oder heute für "autonome"Schläger zu fordern, zeigt doch schon wie ideologisch blind die Rote Hilfe gegenüber den Menschenrechten der Opfer ist. Wer es schlicht schwarz weiß, Schwein -Mensch mag, wer generell kein Grenzen für linke Gewalt definieren kann sollte sich in dieser kleinen Sekte anmelden.

    Frau Dohsel halte ich auf Zeit gesehen und mit wachsender Erfahrung doch für zu intelligent für den Verein

  • IB
    in Bezug auf "Unbequemer"

    Lieber Monsieur Unbequemer,

     

    in Ihren Phrasen verstecken sich Argumente, die vielleicht sogar ernst zu nehmen wären.

     

    Aber Sie klingen so ... arrogant, find ich.

    Dieses "das angenehme linke Klima etwas störe[n]" klint ein wenig plumb, ein wenig läppsch, ein wenig unaufrichtig.

     

    Ach, und die "Junge Freiheit" mag ich nicht. Denn es stehen doch von Zeit zu Zeit echt alte, unfreiheitliche Dinge darin, soweit ich es gehört habe.

     

    Liebe Grüße

     

    Franziska Drohsel will lieber Jura studieren...

    Wird man da nicht langweilig von?

  • K
    Kosmos

    Ich empfehle Frau Drohsel einen ausgedehnten Auslandsaufenthalt.

     

    Motto sollte sein: Sozialismus und Kommunismus in der Praxis.

     

    Im Anschluss könnte Sie dann promovieren zum Thema:

     

    Warum eine Utopie in der Realität ständig scheitert.

    Oder:

    Warum der Kommunismus einen Automatismus in Richtung Diktatur besitzt.

  • U
    Unbequemer

    von kami:

    @unbequemer

    Ich wundere mich, dass Sie die taz und nicht die Junge Freiheit lesen

     

     

    Ich kann Sie beruhigen. Ich aboniere die JF. Aber zu meiner Informationsrunde gehört auch die TAZ. Und meine konträre Meinung zum Durchschnitts-TAZ-Leser muß ich ja hier diskutieren... auch wenn ich das angenehme linke Klima etwas störe. Nichts für ungut.

  • F
    Flipper

    Ist eigentlich die "Rote Hilfe" so entscheidend wichtig gewesen in dem Interview, dass sie erst in den Titel und dann auch noch in den Untertitel gehört? - Hatte beim Lesen nicht das Gefühl...

    Und liebe Franziska Drohsel: Bitte Weitermachen!

  • VV
    @ Vorrundenaus

    Bravo, Zweidrittel Ihres Kommentars pöbeln Sie gegen "Unbequemer". Diffamierung statt Argumente.

     

    Und es bestehen genug Gründe es zu thematisieren, wenn die Chefin der Jusos eine Organisation unterstützt, die Demokratie und Rechtsstaat nur dann gut finden, wenn es ins Konzept passt.

  • U
    Unbequemer

    @von Vorrundenaus:

    Zitat:::Die Rote Hilfe verteidigt politische AktivistInnen vor der Staatsgewalt. Schlimm genug das sich Drohsel von dem Druck der bürgerlich-konservativen Hetzmedien gebeugt hat.:::

     

    Na - ich sage Ihnen eines: Mich stören nicht nur Rechte Gewalttäter und Extremisten, sondern auch linke. Die rote Hilfe unterstützt auch Terroristen, an deren Hand Blut klebt. Aber es gibt wohl Menschen, die Mord, Totschlag und Kriminalität verteidigen, wenn sie unter linken Gesichtspunkten ausgeführt werden. Traurig und inakzeptabel.

     

    Ein linker/rechter Terrorist/Mörder braucht außer dem ihm zustehenden Rechtsanspruch wie einen Verteidiger nicht noch Organisationen, die offene Sympathie und Unterstützung organisieren. Das ist abzulehnen. Ich wüßte wirklich nichts, was einen linken Mörder von einem rechten Mörder positiv abhebt. Es gibt natürlich Menschen, die sehen das anders...

  • V
    Vorrundenaus

    Die Rote Hilfe verteidigt politische AktivistInnen vor der Staatsgewalt. Schlimm genug das sich Drohsel von dem Druck der bürgerlich-konservativen Hetzmedien gebeugt hat.

     

    Der Name "Unbequemer" scheint mir vorallem eins zu sein: Lächerlich...bequemer als mit einem klaren kleinbürgerlichen Weltbild aus dem Du hier einen Einblick gewährst kann mensch es doch in Deutschland nicht haben.

    Die "Demokratie" wird an anderer Stelle zerstört...von den Kochs und Schühnemännern, den Rechtspopulisten in der CDU/CSU.

     

    Aber Bequemer ist es sicherlich sich darüber keine allzu großen Gedanken zu machen....lieber das focus-abo verlängern und im taz-forum seinen Unrat zu verbreiten

     

    bravo!

  • K
    kami

    @unbequemer

    Ich wundere mich, dass Sie die taz und nicht die Junge Freiheit lesen.

  • X
    XChainsawX

    Ach Gottchen, die linken Terroristen ...

     

    ... diese Organisation hilft Menschen ihre Rechte wahrzunehmen, nachdem Sie auf Demonstrationen und in Polizeigewahrsam die Demokratie in Form eines Polizeitonfas kennenlernen durfen.

    Das in der mittlerweile ultra neoliberalen SPD so jemand noch ein Amt besetzten kann wundert mich allerdings auch !

     

    Bitte mehr von solchen Politikerinnen .. !

  • B
    Bequemer

    Frau Drohsel zählt zweifellos zu den großen Nachwuchshoffnungen der Schwindsucht Partei Deutschlands und man kann nur hoffen, dass sie die politische Bühne in nicht allzuferner Zeit wieder betreten wird.

  • S
    Steffen

    Aha, Menschen die anderen Menschen Rechtshilfe und Co leisten sind also schlecht für die Demokratie ?

     

    Nicht schlecht für die Demokratie sind also zb. Politiker die in ihrer Amtszeit Interessen von Kapitaleignern, Konzernen und Co vertreten bzw. umsetzen ?

     

    Nicht schlecht für die Demokratie sind also anscheinend auch nicht Politiker die von einem Spendensumpf und Co in den Nächsten geraten ?

     

    Nicht schlecht für die Demokratie sind also Parteien wie die SPD die im Wahlkampf "links" blinken um dann nach der Wahl "rechts" abzubiegen ?

     

    Nicht schlecht für die Demokratie sind dann Parteien die sich quasi ausser im Wahlkampf in Nichts unterscheiden und sich die Leute fragen müssen warum sie überhaupt noch wählen gehen ?

     

    Nicht schlecht sind "Volksvertreter" die offensichtlich einen anderen Herren haben als das Volk selbst siehe Volksvertreter als Handlanger des Kapitals ?

     

    Was ist das für eine Demokratie wenn die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes, des Souveräns, den Krieg ablehnt und ihn aber trotzdem bekommt ?

     

    Da kann man sich ehrlich fragen wo hier überhaupt noch Demokratie herrscht in diesem Lande und das liegt garantiert nicht an dieser Hilfsorganisation.

     

     

    Das die SPD "links" ist oder wieder wird halte ich für reines Wunschdenken einer jungen Frau die sich mit der Äusserung über das miese Spiel in NRW (gelebte Anti-Demokratie) schon disqualifiziert hat.

     

    Da ist die SPD so links das sie echte linke Bündnisse torpediert egal wann, egal wo und lieber mit Erzkonservativen oder Marktradikalen zusammen geht.

     

    Und schon schlimm wenn eine Linke sich an ihre Wahlversprechen erinnert wie kein weiterer Stellenabbau aber eine Kraft nach der Wahl die Wahlversprechungen erstmal auf Realitätstauglichkeit überprüfen will.

     

    Hier kann man garnicht soviel essen wie man .... möchte.

     

     

    Aber Hauptsache Kraft wird MP ... um was anderes geht es hier garnicht ... ging es nie.

     

    Und ohne die Linke braucht man sich auch nicht mehr vor dem konservativen Medienbeschuss fürchten ...

  • L
    Luftschloss

    Aus dem Interview ist zu erkennen das Frau Drohsel eine Koalition mit der NPD ablehnt, na Gott sei dank!

  • U
    Unbequemer

    Ihre Amtszeit begann mit einem Streit über Ihre Mitgliedschaft in der Rechtshilfeorganisation Rote Hilfe, die der Verfassungsschutz als linksextrem einstuft. Nach Kritik traten sie dort aus. Gehen Sie nun zur Roten Hilfe zurück?

     

    "Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht."

     

    ---------------------

    Daran kann man erkennen: Der Ausstieg aus einer organisation, die sich ganz stark zu linken Terroristen und Gewalttätern hingezogen war, war reines Machtstreben und keine Einsicht, daß solche Umtriebe diese Demokratie zerstören.

     

    Daß sojemanden überhaupt in der SPD eine Plattform geboten wird - traurig. Aber in der SPD geistert ja auch noch eine Angela Marquardt in der "Denkfabrik" herum. Da braucht einen nichts zu wundern