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■ ScheibengerichtJohn Trudell

Johnny Damas and me (Rykodisc/Rough Trade)

Synchronizität ist ein Rendezvous, bei dem sich Zauber und Kraft begegnen, sagt er. Der 48jährige Lakota-Indianer John Trudell ist ein Meister artistischer Synchronizität, wie man sie in Zeiten fragmentarisierter Masken und Posen nicht mehr für möglich hält. In seinem Album „Johnny Damas“ steckt alles: jede Menge entspannter Energie, Bipolarität (aka Mutter Erde und Vater Himmel), „Moccasin Tracks“, Poesie – und jene Wahrhaftigkeit, nach der sich viele diffus sehnen und die doch kaum jemand realisieren kann.

Wahrhaftigkeit bei Trudell ist „Heartspeak from the spirit“: Es ist Zeit, etwas zu sagen, und es ist Zeit, es laut zu sagen. Trudell tut dies in seiner an den toten Steven Jesse Bernstein erinnernden, suggestiv vorgetragenen Spoken Word Poesie, die zwei Menschen namens Mark Shark (toller Name!) und Quiltman (hier außerdem zuständig für die traditionellen indianischen Gesänge) kongenial mit zartestem und rauhestem Rock und Rhythm 'n Blues ausgestattet haben. Kein eingängiger, schnell wieder vergessener Ethno- Pop zum Hopsen, sondern auf Fremdheit bestehende Spannung.

Jackson Browne, bekanntlich ein Mann von Geschmack und Intelligenz, hat Trudells (nach etlichen handvertriebenen Tapes wievielte eigentlich?) Platte produziert und ihm für „That love“, einen Song über gescheiterte Liebe, seine Stimme geliehen. Jennifer Warnes, eine Frau, die über jeden Zweifel erhaben ist, war sich nicht zu schade für die Backing Vocals zu „Raptor“. Beide wissen schon lange, was der aufgeweckte Hörer noch erkennen soll: John Trudell zählt zum geheimen Adel einer Pop-Kultur, die sich ebenso genau politisch wie intim artikulieren kann. Reflexionen über den Mythos Liebe oder im banalen Alltag gestorbene Mädchenträume sind John Trudell ebenso geläufig wie die ohne Schau antikapitalistisch interpretierte „Idea of money“: „There's a rich man / behind god and the flag“.

Trudells Methode ist die signifikante Redundanz. Sich wiederholende Verkündigungen über die „Ruling class / Industrial male“ oder „The alter of democracy“ laufen komplementär zu indianischen Gesängen im Background, ganz analog zur Geschichte, in der die Rechte und Bräuche der amerikanischen Ureinwohner von weißer Zivilisation übermalt, aber nie ganz zugeschüttet wurden. Mit Trudell einen privaten Kontext kühl verallgemeinernd: „There's a noisy closet / Behind locked doors / Filled with a past.“ Die Toten schleppen die Lebenden auf ihren Rücken.

„Johnny Damas and me“ liegen im Schatten der Straße, die zum Erfolg führt, und bezeichnen metaphorisch Trudells essentielle Unterscheidung zwischen Leben und bloßer Existenz. Ohne Handlungsanweisung, aber mit „It doesn't have to be like this“ beendet der Autor, Schauspieler („Thunderheart“) und einstige Chairman des American Indian Movement seine spirituell abgefederten Politpretiosen. „Fly, baby, fly“. Diese Schönheit hat Power.

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