■ Scheibengericht: Mitchell Rasor
The Hive That Is My Head (Strange Ways/Indigo)
Kam jüngst mit den Frühstücksbrötchen nach Hause und fand die mir liebste Person mit dem Heben von Schätzen beschäftigt. Aus dem Hause 4AD? Richard und Linda Thompson? Die Kinder von Jefferson Airplane? R.E.M.? Gar Yo La Tengo? Nein, nein, es war Mitchell Rasor, der den Bienenstock im Kopf hatte und mit Dödeldröhn an der Schreibmaschine verzweifelte. Verlorenheit und Lärm, einsame Gitarre und Feedbacks waren es, was das Sonnabendmorgenohr rührte. Rasor kommt wie Barbara Manning und Pat Thomas aus dem neofolkigen Heyday-Umfeld; Thomas und er spielten einst sogar in derselben Band namens Absolute Gray. Absolute Gray veröffentlichte fünf Alben, und dies hier ist schon Rasors zweites Solo.
Der Mann aus Boston hat zugehört, als die Alten erzählten. Die aufbruchssinnigen Chorsätze kommen tatsächlich aus den Sechzigern („Press Release“), die Mandoline scheint von Michael Stipe, Georgia, geborgt („Pick Up Tracks Revisited“), und das Rückkoppeln hat Rasor dann wohl bei Ira Kaplan in Hoboken, New Jersey, gelernt („Audreys Diorama“). Nun hat es mein Vorgesetzter in Sachen Pop immer gern, daß alles was bedeutet und daß man rausfindet und aufschreibt, was es warum bedeutet. Eine angemessene Forderung. In diesem Fall jedoch wird auf die Geschieden- und Ungeschiedenheit der diversen Anteile verzichtet, auch auf die Erfindung der idealen Vergangenheit und die Verwaltung von Pop durch seine Erben. Wir schnuppern einfach ein wenig an den niedlichen bunten Blumen, die Mitchell Rasor in seinem Gewächshäuschen zieht.
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