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■ ScheibengerichtBernd Begemann

Solange die Rasenmäher singen (Rothenburgsort Rec./EFA)

Bernd Begemann hat es nicht leicht. Ein Berliner Kollege ernannte ihn zum „Martin Walser des Hamburger Underground“, und Kölner Denkologen verübeln ihm „die Apologie des deutschen Spießertums“, das Selbsteinklammern im kleinen „stumpfen Glück“, ja den „poetischen Realismus“. Da wird man doch gleich mißtrauisch, verlangt nach Begemanns Werken und möchte alsdann verteidigen. Denn, Leute, es ist anders, als es scheint. „Bürger Begemann“ ist einer von uns.

Allein das Cover: Wie gründlich da eine riesige blaue Blume auf grünen Veloursrasen geklebt ist, jedes Stück vermutlich in Handarbeit. Wie Begemann mit irr erleuchtetem Blick die Gartenschere ins Licht hält – das sagt doch eigentlich alles: Dieser Prügelknabe irrtumshalber ist ein Tänzer aus Lynchville. „Solange die Rasenmäher singen“ ist, so will es Bernd Begemann, eine Chronologie des „Growing Up“. Die Songs bewegen sich zurück zu gar nicht so schöner Kindheit und Jugend, um nachzuzeichnen, „wie Vergangenheit Gegenwart wird“. Ein Stationendrama in fünfzehn Akten.

Hier ist die Teenagerliebe zur „höheren Tochter“ ein so phantastisches Element des Banalen wie der Ausbruch auf dem Moped, der in der Fortsetzung der Geschichte als das benannt wird, was er ist – ein kläglicher Ausflug: „der tank ist voll / die straßen frei“, und zwei Lieder weiter ist schon „schluß mit dem quatsch / jetzt wird geld verdient“. In Begemanns Rückblick hat man nie bekommen, wovon man träumte, und wenn man es denn bekommen hätte, wäre es vielleicht um so schrecklicher. „Und sie war wunderschön / und das ließ sie mich sehn / sie blieb niemals stehn“, heißt es da. Begemanns urbane Jugend bleibt gefangen in einem Alltag zwischen Schulweg, Fußball, abendlicher „discothek im WDR“ und belügt sich nicht darüber. Wenn Begemann singt, „alles ist nicht für jeden etwas / doch etwas ist für jeden da“, dann bringt er das Elend eines Kompromisses zwischen Wünschenswertem und halb elendem, halb komfortablem Ist-Zustand in gewollt arglosem Reimdich auf den Punkt wie keiner. „Tanzen und spielen und lachen / machen die schlechten tage rar“, „dreh dich einfach im kreis“ – wer so Gesagtes als linear Gemeintes liest, muß schon ziemlich doof sein oder eingeklemmt in einen Diskurs, der die einfachen Äußerungen nicht zuläßt, weil er sich von der vorurteilslosen Anschauung des Gegenstands so weit entfernt hat, daß er um vorgefaßter Thesen willen in komplizierten Schleifen gelehrten Nullsinn produziert.

Begemanns Hin-und-hergerissen-Sein zwischen einer unglaublich naiven, aber wohl aufrichtigen Sehnsucht nach einfachem Glück und dem Irrsinnigwerden an der miefigen Realausgabe wird tabuisiert wie der Gang zum Klo unter Puritanern. Warum bloß? Die Einsicht der Unmöglichkeit wird doch gleich mitgeliefert, sprich „der sommer bleibt vorbei“, und „man kommt nicht mehr aus dem büro des direktors raus“. „Frei sein“ meint in Begemanns Chronologiekonstrukt ein Synonym für Fernweh. Das kleine „stumpfe Glück“ mit den Rasenmähern ist immer noch das, was es ist, „nicht das große Glück“. Vollends treibt der Mann das Ganze auf die Spitze, wenn sich die Stimme der Gemütlichkeit in Form eines Männerchors erhebt: „solange die rasenmäher singen / kann uns nichts passieren“. Außer: Rasenmäher fressen Seele auf. Auch Liebe heilt hier nicht mehr, „wurde man einmal verlassen / dann bleibt man es immer“, wird man „verbissen kämpfen und langsam verbluten“. Das ist mitnichten eine hübsche Sicherheit im Unglück, sondern Sprechen aus muffigen Räumen, wo Begemanns Idylle für zwei zu Hause und sich keinesfalls „sicher“ ist. Die Vision am Ende: „unser ganzes leben lang werden wir tanzen“.

Was könnte gruseliger sein. Das ist fast wie Deutschland im Herbst. Bleibt nachzutragen: Auch die einfache Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.

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