■ Scheibengericht: Roland Josef, Leopold Neuwirth & Die Extrem- schrammeln
Essig & Öl (Warner Music Austria, 4509-966 71-2)
In Wien heißen die Könige Josef und die Kaiser Leopold.
Der Schrammelkaiser aber heißt: Roland Josef Leopold Neuwirth. 1978, genau hundert Jahre nach Gründung des legendären Quartetts der Gebrüder Schrammel, das der Wiener Volksmusik ihren Namen gab, gründete Neuwirth seine eigene Formation, um dem „Weana Liad“ neue Töne beizubringen. Zuerst versuchte er sich als Versöhner von Rock und Schrammel, danach tänzelte er ein wenig auf der „New Danube Wave“.
Erst mit seinem jetzigen Ensemble, den „Extremschrammeln“, kehrte er zum Originalton zurück, weshalb heute auch „zwa Fideln, a Klampfn, a Maurerklavier“ die obligate Besetzung bilden. Dazu kommt die „Oberstimme“ von Mizzi Moravec.
Trotz soviel Geschichtsbewußtseins macht Neuwirth dem Namen seines Ensembles alle Ehre und geht weit über die traditionellen Vorgaben hinaus. Der berühmte schwebende Geigenklang von der Donau, den er in so delikater Art einzusetzen weiß, unterlegt er mit Gitarrenakkorden aus dem Blues- Delta. Die Gesangspassagen machen Anleihen beim Soul und klingen eher nach Wilson Pickett und Aretha Franklin als nach Paul Hörbiger und Mizzi Starecek, und die Walzermelodien stellen klar, daß nicht nur Johann Strauß, sondern auch Arnold Schönberg ein Wiener war.
Melancholie, Grant und Schmäh – Neuwirth durchwandert in seinen Liedern die diversen Korridore der geschlossenen Abteilung der „Weana Söö“ (Wiener Seele) und fleht um Erlösung. Am Ende bleibt der Rausch, um sich in den intergalaktischen Heurigenhimmel davonzubeamen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen