■ Scheibengericht: Lisa Loeb & Nine Stories
„Tails“ (Geffen / MCA)
Es soll keine böse Absicht (harhar) sein, daß hier wieder so viele Frauen aufgefahren werden, aber dieser hier gebührt unbedingt Respekt. Ist sie doch die erste Frau seit Nana Mouskouri, die sich mit Brille auf die Rampe traut. Mehr davon! Lisa Loeb landete in dem Twentysomething-Film „Reality Bites“ mit „Stay“ einen unerwarteten Hit, der in aller Eile mit einem Album umbastelt wurde. (Die Methode versagte zuletzt im Falle von Stiltskin.) Ebenso eilig wurde Lisa Loeb für die Medien als intellektuelles Role model aufgebaut – genau: mit der vieldiskutierten Brille. „Tails“ ist eine sehr gute Platte, wenn man im Lied ein psychozentriertes Monologisieren bevorzugt, das sich irgendwo zwischen den Counting Crows und Sheryl Crow verortet. Dabei klingt Lisa Loebs Stimme manchmal kindlich und seltener enervierend schlank, wenn sie – was den Kern des Albums ausmacht – den kleinen Schritt von der Grübelei zur Depression ausmißt: „I fell down, down“. Aber spätestens „Taffy“ macht klar, warum die Frau ausgerechnet (wie Sonic Youth) bei Geffen unter Vertrag ist. Lisa Loeb fürchtet sich keineswegs vor dem Schroffen, seien es dicke Bässe oder Feedbacks. Lisa Loeb ist eine ausgesprochen talentierte Songwriterin. Summa summarum: Diese elektrisch verstärkte Schwester Suzanne Vegas ist allemal sympathischer als Belly's überschätzte Tanya Donelly oder das Quäkmaul Sheryl Crow. Schon wegen der Katze auf dem Cover und Zeilen wie diesen: „Lisa, won't you listen? / The moon shines for you / You're tipsy and turning, you've got one foot on the floor / You're alive, you're burning / You always wanted more.“
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