Schauspielschülerin über das Schauspielern: "Ganz schön schizophren"
Tränen sind schwer, die persönliche Gangart ist es auch. Dorothee Krüger, die in Berlin Schauspiel studiert, spricht von den Klippen des Anfangs und ihren Werdegang.
taz: Frau Krüger, können Sie mal bitte kurz weinen?
Dorothee Krüger: Nein, so weit bin ich noch nicht, dass ich das auf Zuruf könnte.
Aber Gefühle auf Knopfdruck abrufen zu können, daran arbeiten Sie?
Ja, eigentlich schon. Ich muss in einer Szene Liebeskummer spielen und bin privat aber sehr glücklich verliebt. Bei der Vorbereitung überlege ich mir also, wie ich auf Knopfdruck Liebeskummer bekomme. Und zwar wirklich bekomme, nicht nur spiele. Am Anfang hat das nicht funktioniert. Ich hab es über meinen Exfreund versucht und das erste Verlassenwerden mit 16, aber das war alles nicht stark genug. Als ich meinem Schauspiellehrer dann erzählt habe, dass ich liiert bin, sagte er: "Warum benutzt du das nicht? Willst du deine Beziehung beschützen?" Und er hatte recht, ich wollte das eigentlich raushalten. Ich wollte meinen Freund nicht mit auf die Bühne nehmen. Irgendwann habe ich mir dann vorgestellt, wie mein Freund seine Exfreundin küsst - das hat total gut funktioniert!
Wenn man ganz anders ist als die Figur, die man verkörpern soll, wie spielt man seine Rolle trotzdem überzeugend?
Ich glaube, jeder Mensch trägt alle Facetten an Gefühlen in sich. Man muss die Emotion nur finden. Welche Türchen da in mir aufgemacht worden sind, kann ich noch gar nicht sagen. Das arbeitet noch total in mir.
27, lernt seit September 2009 Schauspiel an der Schauspielschule des Europäischen Theaterinstituts (ETI) in Berlin. Zuvor hat sie Sprachen-, Wirtschafts- und Kulturraumstudien an der Universität Passau studiert.
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Ist Schauspielern auch eine Art Psychotherapie?
Das könnte man fast denken … Schauspielern ist eine ganz schön schizophrene Angelegenheit. Ich glaube, dass es auf jeden Fall hilfreich ist, nebenher eine Therapie zu machen, weil im Unterricht viel aufgeworfen wird, und dort gibt es keinen Raum, um sich weiter damit zu beschäftigen.
Verändern diese Erfahrungen Ihren Alltag?
Ja, schon. Wenn ich es schaffe, diese Probleme zu lösen, bin ich auch im Alltag glücklicher. Ich muss egoistischer und selbstsicherer werden, das wünsche ich mir auch privat.
Was hat Sie motiviert, Schauspielerin zu werden?
Dass man Menschen erreichen und berühren kann. Die Idealvorstellung ist, dass der Zuschauer ins Kino geht, sich meinen Film ansieht und danach die eigene Welt ein kleines bisschen anders sieht als vorher. Die Möglichkeit, Menschen zu erreichen, ist beim Film natürlich viel größer als im Theater. Das dachte ich jedenfalls ursprünglich. Mittlerweile macht mir Theater auch total viel Spaß.
Was ist denn nun reizvoller, Film oder Theater?
Ich würde später gerne beides machen, aber ich weiß nicht, ob das realistisch ist. Wenn man auf der Bühne ist, muss die allerkleinste Veränderung in der Mimik so groß sein, dass es die letzte Person in der hintersten Reihe sieht. Wenn man hingegen im Film ein Close-up hat, wo man nur das Gesicht sieht oder sogar nur die Augen, da muss man ganz reduziert arbeiten, sonst wirkt das gespielt. Eben wie Theater.
Haben Sie keine Angst, nach der Schule vielleicht keinen Job zu bekommen?
Manchmal schon, aber Angst würde mich nur lähmen, das bringt nichts. Meine Alternative wäre gewesen, meine Doktorarbeit in Kunstgeschichte zu schreiben, und da wäre meine Zukunft auch unsicher.
Was lernt man denn eigentlich alles an einer Schauspielschule?
Schauspielunterricht ist die größte Konstante, das haben wir jeden Tag. Außerdem haben wir Sprechunterricht, da machen wir witzige Übungen. Zum Beispiel arbeiten wir mit Sätzen wie: "Du hast ja heute wieder eine schrecklich scheußliche tschechische hässliche Scheiß-Stretch-Jeans an", das ist ein richtiger Zungenbrecher. Andere Fächer sind Musiktheorie, Gesang, Körperschule, Akrobatik, mittelalterliche Tänze, Fechten und Bewegung. Da analysieren wir unsere persönliche Gangart oder laufen zu einem Stuhl, setzen uns hin und stehen wieder auf. Das hört sich einfach an, ist aber ganz schön schwierig.
Wie geht es nach der Ausbildung weiter?
Da denke ich noch nicht so drüber nach. Aber ich glaube, ich muss mich danach schon anstrengen. Auf das Entdecktwerden darf man sich nicht verlassen. Die Gefahr nach der Ausbildung ist, dass man nicht mehr so drin ist im Spielen wie während der Ausbildung.
Keine Angst, dass Sie danach vielleicht keinen Job bekommen?
Manchmal schon, aber Angst würde mich nur lähmen, das bringt nichts. Außerdem: meine Alternative wäre gewesen, meine Doktorarbeit in Kunstgeschichte zu schreiben, und da wäre meine Zukunft auch unsicher.
Sind Sie nicht trotzdem froh, dass Sie schon ein abgeschlossenes Studium haben – als Sicherheit?
Das könnte mir auch zum Verhängnis werden, weil ich schon älter bin als die anderen. Ich weiß nicht ob mich mit 30 noch ein Theaterensemble aufnimmt. Andererseits: Als Schauspieler schöpft man aus seinen Erfahrungen. Und ich habe natürlich viel mehr Erfahrungen gemacht als jemand, der gerade sein Abi gemacht hat und dann mit der Schauspielschule anfängt.
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