Schauspielerin Götze über Erfolg trotz Behinderung: "Es ist aufregend, ein Star zu sein"
"Wünsch dir das", hat ihre Mutter ihr geraten. Aber das war nicht der einzige Grund, warum Juliana Götze als Schauspielerin Karriere macht. Trotz Down-Syndrom.
Wer einen Termin mit der Schauspielerin Juliana Götze will, muss hartnäckig bleiben. Die Frau ist einfach zu beschäftigt, um sich mit Journalisten zu unterhalten. Kostümproben für das Theater, aufwändige Yoga-Übungen, um "in meine Mitte zu finden", und die Familie füllen Götzes Zeit voll aus. Als sie dann mit ihrer Mutter zum Interview in Berlin-Prenzlauer Berg empfängt, ist die 23-Jährige, die das Down-Syndrom hat, wieder in Eile. Die nächsten Proben für ein Theaterstück stehen an und der Dreh für einen Kurzfilm. Die junge Schauspielerin ist zunächst etwas schüchtern, strahlt dennoch eine wahnsinnige Freude aus. "Hallo, ich bin die Juliana", begrüßt sie mit einem frechen, warmen Berliner Dialekt. "Kinder der Sonne" nannten die Chinesen einst Menschen mit Down-Syndrom.
taz: Frau Götze, egal wo Sie auftauchen oder welche Bilder man sich von Ihnen anschaut, Sie haben immer gute Laune. Warum ?
Juliana Götze: Wegen meiner Mutter. Das ist ein Geschenk für mich - weil ich durch Mama und Papa auf die Welt gekommen bin.
Deswegen Sie sind so eine Frohnatur?
Na klar, und wegen meinem Bruder auch.
Sie schauspielern seit Ihrem neunten Lebensjahr …
… ja, ich tanze gerne, ich bewege mich gerne und ich spiele und singe sehr gerne. Es ist auch spannend, immer in andere Rollen zu schlüpfen. Ich mach es einfach gern.
Sie schwärmen so von Ihrem Beruf, gibt es trotzdem etwas, das Sie stört?
Ja, ich mag es nicht, Fluchten oder Krieg zu spielen. Es ist blöd, wenn wir Grenzen ziehen müssen und die Zöllner einen ärgern.
Juliana Götze hat ein weiches Gesicht, aus dem das Mädchen wohl nie weichen wird. Es gibt darin keine Kanten, keine Ecken, keine groben Züge. Dieses Gesicht lässt sie sanft wirken - aber auch sehr keck. Neben ihren Theaterrollen hat Götze einige Fernsehauftritte absolviert. So trat die 23-Jährige in dem Dokumentarfilm "Liebe dich …" auf und spielte eine Nebenrolle in einer Folge der RTL-Serie "Die Familienanwältin".
Im August dann war sie in einem BR-Polizeiruf-110, "Rosis Baby", zu sehen - ihre erste große Fernsehproduktion. Ihre Filmmutter wird überfallen und fällt ins Koma. Tochter Rosi, die schwanger ist, gilt als Zeugin und Verdächtige, um die sich die Ermittlungen drehen. Den Wunsch, einmal eine Hauptrolle spielen zu dürfen, habe Juliana schon lange gehabt. "Wünsch dir das", habe die Mutter ihr gesagt, "dann geht es auch in Erfüllung." Die Produzenten haben in ganz Europa gesucht, bevor sie sich für Götze entschieden.
Sie haben kürzlich in dem Polizeiruf 110 "Rosis Baby" die Hauptrolle gespielt. Zunächst waren Sie skeptisch, als Sie das Drehbuch gelesen haben. Wieso?
Es hieß am Anfang des Drehbuches "Mongo". Das ist ja nicht so toll, das hat mir nicht gefallen. Dann die Schwangerschaft und die Abtreibung - ohne mich! Und die Krankenhausszene mit meiner Filmmutter hat mir auch nicht gefallen.
Warum nicht?
Die Schläuche konnte ich nicht sehen, denn meine Mutter war ja selber im Krankenhaus. Da musste ich erst mal heulen.
Und die Liebesszene? War die nicht auch fürchterlich aufregend?
Oh ja, erst mal habe ich geweint und mir dann mein Knie gestoßen. Dann haben wir die Szene in Ruhe in der Maske gespielt und es war wieder lustig. Ohne meine Mutter hätte ich es nie geschafft.
Die Film-Rosi ist schwanger. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Einmal habe ich mir ein Kissen unter meinen Pulli geschoben und ansonsten habe ich alles auf mich zukommen lassen. Die Yogaübungen haben mir sehr geholfen.
Der Film lief an einem Sonntagabend zur besten Sendezeit und hatte über sechs Millionen Zuschauer. Wo haben Sie sich Ihre erste Hauptrolle angeschaut?
Zuhause, mit meinen Eltern, meinem Bruder und seiner Freundin. Es ist schon komisch, wenn man sich selbst sieht. Ich war schon geplättet und aufgeregt. Danach haben ganz viele angerufen und mir gratuliert.
Die Serienkollegen sind begeistert von ihrem Spiel. Edgar Selge, der den Kommissar Tauber spielte, schrieb seiner jungen Kollegin nach den Dreharbeiten: "Liebe Juliana, es hat richtig Spaß gemacht, mit dir zu tanzen und zu kochen. Die Kamera haben wir dabei oft vergessen. Oder nicht? Ich bilde es mir ein. Daran erinnere ich mich gern, du wunderbarer, geheimnisvoller Mensch. Danke."
Auf die durchweg guten Kritiken angesprochen, muss Götze verschmitzt lächeln. Für einen kurzen Moment blickt sie wie eine Diva. Dann wie ein glückliches Kind. In solchen Momenten bezaubert sie.
Wie ist es jetzt für Sie, ein Star zu sein?
Es ist aufregend und merkwürdig. Auf der Straße werde ich jetzt erkannt und angesprochen von Leuten, die ich nicht kenne. Aber das ist schön.
Juliana Götze hat das Down-Syndrom - auch bekannt unter dem Namen Trisomie 21 - , eines der verbreitetsten angeborenen Syndrome. Charakteristisch für dieses Handicap sind körperliche Auffälligkeiten wie etwa ein vergleichsweise kleiner Augenabstand oder ein stark ausgeprägter Nacken. Gleichzeitig sind die kognitiven Fähigkeiten in variabler Weise beeinträchtigt, gehäuft leiden die Betroffenen unter Fehlbildungen innerer Organe, wie Seh- und Hörstörungen. Juliana Götze weiß von alldem. Sie redet offen und direkt - über alles. Sie bemüht sich nicht, etwas zu verstecken. Anders gesagt: Das Down-Syndrom interessiert sie nicht.
Wie fühlt sich ein Leben an, in dem andere einen meistens als zurückgeblieben ansehen?
War Ihre Behinderung ein großes Thema bei den Dreharbeiten?
Nein, eigentlich überhaupt nicht.
Und in Ihrem Privatleben, haben Sie da schlechte Erfahrungen mit Mitmenschen gemacht?
Nö, warum auch. Manche Jugendlichen sind doof, aber das interessiert mich auch nicht.
Frau Götze, eine abschließende Frage: Haben Sie nach Ihrem Erfolg auch mehr männliche Verehrer?
Das ist mir egal, ich habe eine beste Freundin, die reicht mir. Männer machen nur Stress.
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