Schauspieler Max Tidof klagt gegen Rauchverbot: "Rauchen ist ein Kulturgut"
Am Mittwoch fällt das Verfassungsgericht die Entscheidung über das Rauchverbot. Auch der Schauspieler Max Tidof hat in Karlsruhe geklagt. Ein Gespräch über die Freiheit, sein Leben zu verkürzen.
taz: Herr Tidof, seit wann rauchen Sie und wie viele Zigaretten am Tag?
Max Tidof: Ich rauche etwa vierzig Zigaretten am Tag, und angefangen habe ich vor 35 Jahren.
Eine ganz schön lange Zeit …
Ja, und eine schöne Zeit!
Sie spielen auch regelmäßig am Theater, einem Milieu, wo Rauchen als Teil eines Lebensgefühls gilt. Stimmen Sie dem zu oder geht Ihnen diese Formulierung zu weit?
Nein, überhaupt nicht. Ich rauche gern. Natürlich ist es ein Lebensgefühl, und genau das wird durch das aktuelle Rauchverbot extrem eingeschränkt.
Zur Person: Geboren 1960 in Polch, wurde Max Tidof durch zahlreiche Film- und Theaterauftritte bekannt. Er lebt mit seiner Familie in München. Werdegang: Seine ersten Engagements erhielt er Ende der 70er Jahre als Theaterschauspieler bei den Kammerspielen in München, es folgten Stationen in Bonn und Berlin. Durchbruch: 1982 glänzte Tidof in Klaus Emmerichs TV-Serie "Rote Erde". Im Anschluss spielte er in zahlreichen Filmen und Serien mit, darunter "Kommissar Rex", "Ein Fall für Zwei" und in mehreren Tatort-Folgen. Auszeichnungen: Für die Rolle des Sängers Ari Leschnikow im Kinofilm "Comedian Harmonists" wurde er 1998 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet.
Entscheidung: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe urteilt heute über drei exemplarisch ausgewählte Verfassungsbeschwerden gegen das Rauchverbot in Einraumkneipen. Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier kündigte in Hinblick auf rund 30 anhängige Klagen die Klärung der Frage an, inwieweit das Rauchverbot generell "verhältnismäßig" ist.
Signalwirkung: Das Urteil, das formal zunächst nur Berlin und Baden-Württemberg betrifft, wird als richtungsweisend für die Beurteilung der Rauchverbote in den anderen Bundesländern angesehen.
Föderalismus: Noch gleicht die Republik beim Rauchverbot einem Flickenteppich. Seit dem 1. Juli greift zwar bundesweit ein Rauchverbot in allen Kneipen und Gaststätten; außer in Bayern darf jedoch weiterhin in abgetrennten Nebenräumen geraucht werden, die in einigen Ländern mit einem Servierverbot belegt sind. Dass dies eine "unverhältnismäßige" Wettbewerbsverzerrung für Wirte von Einraumkneipen mit sich bringt, entschieden die Landesverfassungsgerichte von Sachsen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Dort ist auch in Einraumkneipen das Rauchen weiterhin erlaubt. Das strikteste Verbot gilt in Bayern: ausschließlich in Geschlossenen Gesellschaften, den so genannten Raucherclubs, darf noch geraucht werden. Auch bei den Bußgeldern besteht Uneinigkeit: Während für Wirte in Mecklenburg bei Verstößen ab August ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro fällig werden kann, beschränkt sich der Großteil der Länder auf maximal 1000 Euro.
Richter: Die Kläger hoffen bei der Urteilsfindung auf die Objektivität des Ersten Senats: nur zwei von acht Richtern gehören selbst zur Raucherfraktion. Hans-Jürgen Papier, gelegentlicher Zigarilloraucher, möchte dem Urteil jedoch nicht die Gefahren durch das Passivrauchen, sondern ausschließlich die wirtschaftlichen Konsequenzen für die Gastwirte zugrunde legen.
Sie haben einmal gesagt, Sie seien "bekennender Raucher". Ist es inzwischen so weit, dass man sich dazu "bekennen" muss wie zu einer Straftat?
Den "bekennenden Raucher" machen die Medien aus mir, da kann ich nichts dran ändern. Aber ich verstecke meine Zigaretten nicht. Wenn ich auf einem Event bin, wo Fotos geschossen werden, gibt es dort immer sehr viele Leute, die fürs Foto ihre Zigarette weglegen oder ihr Bier wegstellen. Das mache ich definitiv nicht.
Finden Sie eine solche Haltung verlogen, im Blitzlicht den nichtrauchenden Antialkoholiker zu spielen?
Wie andere das machen, ist mir egal. Wenn jemand seine Frau versteckt oder seine Freundin, dann ist das sein Problem. Aber das ist nicht der Hauptkonflikt. Das Verlogene ist die Gesellschaft, die einen überhaupt dazu bringt, so zu handeln. Diese ständige Propagierung der Gesundheit und die Einschränkung alles anderen, das haut nicht hin.
Und deshalb haben Sie als Privatmann beim Bundesverfassungsgericht gegen das Rauchverbot geklagt.
Ja, denn ich sehe darin eine extreme Einschränkung meiner persönlichen Freiheit. Ich glaube, dass dieses Gesetz verfassungswidrig ist. Es gibt den Artikel 2, Absatz 1 des Grundgesetzes, in dem steht: "Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit." Ich fühle mich durch das totale Rauchverbot in Zügen und Taxen extrem eingeschränkt. Ein Taxifahrer darf nicht mehr entscheiden, ob er seinen Wagen als Raucher- oder als Nichtrauchertaxi einsetzen möchte. Er kann dann auch nicht mehr in seinem Wagen rauchen, wenn er ihn privat nutzt. Das ist eine Einschränkung der persönlichen Freiheit, wie sie dem Staat nicht zusteht.
Sie wenden sich also generell gegen die Bevormundung vom Staat?
Ich glaube, dass der Staat in vielen Dingen zu weit geht. Ich habe das Gefühl, sollte das Rauchverbot Erfolg haben, würde davon eine falsche Signalwirkung ausgehen. Auch die gesamte Überwachung, die jetzt diskutiert wird, ist Teil dessen. Wohin man schaut, hängen Kameras. Wenn man es schafft, das Rauchverbot durchzuprügeln, dann lässt der Bürger sich anscheinend alles gefallen.
Sie fühlen sich in Ihrer Freiheit eingeschränkt. Aber ging nicht der erste Schritt in die Unfreiheit, nämlich der in die Zigarettenabhängigkeit, von Ihnen selbst aus? Und kann man jetzt nicht von Ihnen verlangen, dass Sie die Konsequenzen zu tragen haben?
Aber die habe ich ja zu tragen! Ich leiste mir etwas, das mein Leben um zwei oder drei Jahre verkürzen könnte. Das zu entscheiden empfinde ich absolut als meine Freiheit. Im Leben tauscht man immer eine Freiheit gegen eine andere Unfreiheit ein. Wenn ich mir die Freiheit nehme, mich ehelich zu binden, gehe ich die Unfreiheit ein, mich nicht mit anderen Mädels zu vergnügen.
Nun gibt es gute Argumente gegen das Rauchen in öffentlichen Einrichtungen. Wie argumentieren Sie, dass Ihr Recht auf eine Zigarette höher anzusiedeln ist als der Schutz für Kinder und Jugendliche?
Das mache ich nicht. Ich bin absolut dafür, dass Nichtraucher geschützt werden. Aber es war in der Vergangenheit so, dass auch ohne staatlichen Druck 80 Prozent der Taxen Nichtrauchertaxen waren - das hat sich von selbst geregelt. Ich bin meistens sechs, sieben Taxen abgelaufen, bis ich ein Rauchertaxi gefunden habe, und das war in Ordnung so. Das lässt sich alles regeln, auch ohne das Dogmatische vonseiten des Staates.
Wie reagiert Ihr Umfeld auf die Klage?
Definitiv mit Solidarität - übrigens auch von Nichtrauchern, denn dass man im Restaurant nicht mehr zusammensitzen kann, empfinden auch sie als Einschränkung und Gängelung. Und es gibt viele Nichtraucher, die gerne Rauch sehen, das hat eben etwas sehr Ästhetisches. Es ist eine Kulturform. Eine Bar ohne Aschenbecher und ohne mondäne Damen, die an ihren Zigaretten ziehen - das ist furchtbar.
Eine Ihrer berühmtesten Rollen ist die des Sängers Ari Leschnikow in "Comedian Harmonists". Hätte es den Dreißigerjahren an Charme gefehlt, wenn damals nicht geraucht worden wäre?
Definitiv. Ein Winston Churchill ohne Zigarre, eine Marlene Dietrich oder Humphrey Bogart ohne Zigarette … Oder später Jean-Paul Belmondo in "Außer Atem" - da ist die Zigarette doch die halbe Miete gewesen!
Was für eine Einigung würden Sie sich in Deutschland wünschen?
Das sogenannte spanische Modell: In großen Gaststätten sollte es einen Raucher- und einen Nichtraucherbereich geben, und ein kleines Restaurant sollte sich aussuchen können, welche Klientel es bedienen möchte. Dann hat jeder die Wahl. Wo mich das Rauchverbot aber noch mehr trifft als in Lokalen, ist in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Ich bin nicht mehr reisefähig! Dass man die hinteren Raucherabteile abgeschafft hat, wo einfach definitiv kein Nichtraucher belästigt wurde, ist doch absurd. Es gab Argumente, es gehe um den Schutz der Schaffner. Aber ich denke, jeder Raucher ist bereit, vor das Abteil zu treten und dem Schaffner dort sein Ticket zu zeigen. Abgesehen davon, dass die Schaffner immer bei mir mit im Abteil saßen, um da eine zu rauchen …
Sie haben angekündigt, dass Sie an keinen Talkshows mehr teilnehmen werden, wenn Sie dort nicht rauchen dürfen. Bleiben Sie dabei?
Soweit es geht. Wenn es sich nur um zehn Minuten handelt, um meinen neuen Film vorzustellen, könnte ich mir das überlegen. Ansonsten eher nicht. Ich kann ja nicht mal mehr im Vorraum rauchen. Ich kann mich im ganzen Sendergebäude nicht mehr bewegen, ich müsste durch zwanzig Gänge kacheln, um an einer Zigarette ziehen zu können. Und das ist genau das, was ich mir nicht antun will.
Sie haben zwei Töchter. Wie thematisieren Sie das Rauchen ihnen gegenüber?
Denen rate ich schon, nicht mit dem Rauchen anzufangen, denn es ist natürlich gesundheitsschädigend und zudem ein relativ teures Laster.
Damit widersprechen Sie natürlich ein bisschen dem, was sie vorhin gesagt haben: dass das Rauchen Teil eines Lebensgefühls ist.
Ohne Frage. Momentan ist es ja so, dass man durchs Rauchen gesellschaftlich ausgegliedert wird. Und dann ist es besser, gar nicht erst damit anzufangen. Es ist natürlich trotzdem absolut ihre Entscheidung. Ich sage nicht: Rauch auf keinen Fall! Ich sage nur: Wenn du es nicht kennst, dann fehlt dir nichts.
INTERVIEW: DÖRTE SCHÜTZ
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen