Schauspieler Jürgen Vogel: "Ich hab mich verpisst"
Der bekennende Selbstdarsteller Jürgen Vogel über seinen neuen Fernsehfilm "Alte Freunde", seine Flucht aus Hamburg-Schnelsen, Schmerz - und Ryan Adams.
taz: Herr Vogel, in "Alte Freunde" spielen Sie einen Mann, der nach 15 Jahren in seine Heimatstadt zurückkehrt. Er war irgendwann einfach abgehauen - genau wie Sie. Warum haben Sie mit 15 Jahren Hamburg-Schnelsen hinter sich gelassen?
Jürgen Vogel: Stimmt. Auch ich hab mich verpisst, weil ich gemerkt hatte, dass ich mehr vom Leben erwartete, als beim Griechen zu sitzen und Bier zu trinken. Ich wollte nicht irgendeine Lehre machen oder zur Bundeswehr gehen, sondern ein berühmter Fotograf werden. Meine Kumpels sind den Weg des geringsten Widerstands gegangen. Der kam für mich nicht infrage.
Ihre Freunde im Film machen Ihnen wegen des schnellen Abgangs Vorwürfe. Haben Ihre Hamburger Freunde sich damals auch über Sie geärgert?
Es war mir völlig egal, was meine Kumpels davon halten. Ich musste weg, wollte ein neues Leben anfangen. Und trotzdem wird Schnelsen immer ein Teil von mir bleiben. Ich bin froh, dass ich erlebt habe, was ich erlebt habe. Schnelsen hat mich geprägt. Es wäre albern, zu versuchen, das krampfhaft abzuschütteln.
Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer damaligen Clique?
Nein. Meine ältesten Freunde habe ich kennengelernt, als ich 1985 nach Berlin gezogen bin.
Stören Sie solche persönlichen Journalistenfragen?
Ich sage eh nur das, was ich sagen will. Und wenn mich eine Frage langweilt, dann erfinde ich eben eine Antwort. Besonders geil finde ich als Schauspieler aber natürlich die Gespräche mit diesen alten Journalisten, die dich fragen, warum du welche Rolle wie darstellst, die dir erzählen, dass sie beobachtet haben, dass du eine bestimmte Sache im Gegensatz zu dem und dem Film jetzt so und so gemacht hast - die also immer versuchen, eine Distanz zu dir als Person zu wahren. Die würden sich gar nicht trauen, dich was Persönliches zu fragen.
Was würden Sie als Journalist anders machen?
Nehmen wir mal an, ich müsste Ryan Adams interviewen, der ein begnadeter, total verrückter Musiker ist. Ich würde mit ihm über seine Musik reden, versuchen, herauszufinden, was seine Inspiration ist, ihm aber auch erzählen, wie ich seine Musik empfinde, und ob er diese Sicht nachvollziehen kann. Ich würde wenig mit ihm über sein Alkoholproblem reden. Das weiß ich, denke mir meinen Teil dazu - und gut.
Was beeindruckt Sie an ihm?
Sein wahnsinniges Talent, die Menschen zu berühren mit seiner Musik, die so ehrlich ist und so schmerzvoll.
In einem dieser altmodischen Artikel über Sie steht, dass Sie stellvertretend für uns alle dahin gehen, wo es wehtut, Sie keine Berührungsängste mit Schmerz haben - eine Parallele zu Ryan Adams?
Ja, vielleicht. Wenn ich einen Preis bekomme, denke ich manchmal, dass die Gesellschaft sich damit ihres schlechten Gewissens bestimmten Milieugruppen gegenüber entledigt - gegenüber Menschen, die ein beschissenes Leben haben, ein hartes Schicksal, vernachlässigt werden - Menschen, die so leben, wie ich aufgewachsen bin.
Stört Sie das Image des Proletariers vom Dienst manchmal?
Ich fühle mich nicht genötigt, dieses Klischee zu bedienen. Das mache ich freiwillig. Ich würde sogar gern noch mehr Arbeiterfilme drehen.
Wie die von Ken Loach?
Ja. Die Einsicht, dass dabei nicht nur Rührstücke, sondern auch Komödien rauskommen können, vermisse ich in Deutschland nur leider.
Kommt so ein Arbeiterfilm für Ihr immer wieder angekündigtes Regiedebüt in Frage?
Es gibt verschiedene Stoffe, an denen ich gearbeitet habe. Von einer Idee gibt es immerhin fünf Drehbuchfassungen. Die Geschichte finde ich nach wie vor sehr spannend, weiß nur noch nicht, ob es richtig wäre, wenn ich das mache.
Zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie sich als Selbstdarsteller bezeichnet. Und heute?
Ich bin immer noch ein Selbstdarsteller. Alles, was ich spiele, hat mit mir zu tun. Ich kann nur spielen, was ich verstehe.
Treibt Sie das auch in Uri Gellers TV-Show oder zu "Clever"?
Zu "Clever" gehe ich, weil ich das ein geiles Format finde. Ich fände es albern, mich einem Diktat zu fügen, das besagt: Filmschauspieler dürfen sich nicht in Fernsehshows zum Horst machen. Mir wäre es auch egal, wenn mich jemand deswegen nicht für einen Kinofilm besetzt. Dem würde ich nur sagen: Alter, steck dirn Finger in den Arsch! Es gibt keine Autorität, die dir sagen kann, was du tun und lassen solltest - außer dir selbst.
INTERVIEW: DAVID DENK "Alte Freunde", 20.15 Uhr, ZDF
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