■ Scharpings Vorschlag an die CDU: Trickreich gegen die PDS?
Es gibt viele gute Gründe, nicht PDS zu wählen. Wenn sie überzeugen, wird es in der kommenden Legislaturperiode keine PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag geben. Der Partei, die als politischer Kristallisationskern des Ost-West-Ressentiments fungiert, wäre damit die große parlamentarische Bühne entzogen – keine schlechte Vorstellung. Den Managern der jüngsten PDS-Erfolge fiele es dann nicht mehr ganz so leicht, ihre Wähler Glauben zu machen, die Partei verträte wirksam – statt ihrer eigenen – die Interessen „des Ostens“. Auch der jetzt gängige Kurzschluß, demokratisch gewählte Parteien seien per se demokratische Parteien, verlöre seine merkwürdige Plausibilität. Mit dem Scheitern wäre zudem aufs angenehmste demonstriert, daß wilde Nostalgie, links- flockig vermarktet, eben doch nicht ausreicht, Kompetenz und Verantwortung für die eigenen Forderungen zu ersetzen. Auch könnte die Partei künftig weniger publikumswirksam die Ost-West-Spaltung betreiben und die spezifische Mentalität bedienen, auf der die Existenz der PDS wesentlich basiert. Mit dem sinnfälligen Bedeutungsverlust würde wohl auch der Prozeß in Gang gesetzt, der die von ihren Wahlerfolgen zusammengehaltene Partei der Stalinisten und Punks, der biederen Reformpolitiker und der gewitzten Propagandisten schneller als erwartet in ihre Grüppchen und Strömungen zerfallen ließe.
Nichts wäre für Gregor Gysi und seine PDS so gefährlich wie dieser Mißerfolg. Nichts spricht für den Versuch, diesen Mißerfolg durch Tricks herbeizuführen. Wenn sich alle Parteien, wie jetzt von Rudolf Scharping empfohlen, in den PDS-Hochburgen auf die Unterstützung des aussichtsreichsten Gegenkandidaten einließen, wäre zwar das Scheitern der PDS wahrscheinlich. Doch daß sich die großen Parteien auf Einheitskandidaten einlassen, um den Nachfolgern der Einheitspartei den Weg ins Parlament zu versperren, klingt ziemlich anrüchig. Das ist genau der Stoff für die Legenden, aus denen der PDS-Erfolg sich speist. Was könnte ihrer Propaganda gelegener kommen als die unsouveränen Finessen ihrer demokratischen Widersacher. Nein, raffinierte Varianten gegen die raffinierten PDS-Strategen sind nicht opportun.
Scharping und seine Partei haben die PDS zu lange ignoriert, um sie dann für das fragwürdige „Wechselsignal“ von Magdeburg zum strategischen Faktor aufzuwerten. Die Union hat in einem themenlosen Wahlkampf die PDS zum eigentlichen Wahlthema aufgeblasen. Weil das wider Erwarten funktionierte und alle Dementis nicht recht greifen, sucht Scharping jetzt nach dem Ausweg, mit der PDS auch die lästige Unterstellung loszuwerden. Das ist verständlich und geht doch nur – die Strategen der PDS werden schmunzeln – mit demokratisch einwandfreien Mitteln. Wenn die nicht helfen und die PDS über den direkten Weg in den Bundestag einzieht, eine kleine, demokratisch zweifelhafte Oppositionsfraktion – wird daraus auch kein Drama werden. Matthias Geis
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