: Schamir beim Prozeß
■ Israels Ministerpräsident verleiht dem Prozeß gegen Demjanjuk mehr Gewicht / KZ–Überlebenden „Lügner“ genannt
Jerusalem (dpa) - Israels Ministerpräsident Izchak Schamir hat am Montag vormittag den Prozeß gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher John Demjanjuk in Jerusalem besucht. Schamirs einstündiger Besuch soll nach Angaben seiner Berater demonstrieren, welche Bedeutung die Regierung dem zweiten Kriegsverbrecherprozeß in Israel nach dem Verfahren gegen Adolf Eichmann vor 25 Jahren beimißt. Er sei „tief bewegt vom Schrecken des Falles“, sagte der Regierungschef am Nachmittag nach Angaben des israelischen Rundfunks vor einer Versammlung von 400 Rabbinern der National–Religiösen Partei (NRP). Der Prozeß beweist nach Ansicht von Schamir auch „die Fähigkeit des jüdischen Volkes, jede Gefahr von außen besiegen zu können. Die größte Gefahr kommt von innen, von der Konfusion und den Selbstzweifeln des jüdischen Volkes“. In Anwesenheit des Regierungschefs unterbrach der bisher gelassen wirkende Angeklagte erstmals seit Prozeßbeginn vor zwei Wochen das Verfahren und beschuldigte den Zeugen Elijahu Rosenberg, ein Lügner zu sein. Als Rosenberg das Elend der Menschen im Konzentrationslager schilderte, fragte ihn der Verteidiger Marc OConnor, warum er denn nicht geholfen habe. Empört zeigte der Zeuge auf Demjanjuk und sagte: „Fragt ihn, was er getan hätte, wenn ich versucht hätte, zu helfen.“ Demjanjuk, der dem Prozeß über Kopfhörer in der ukrainischen Übersetzung zuhört, sagte daraufin auf hebräisch: „Ata schakran!“ (Du bist ein Lügner!). Der Andrang zu dem Prozeß nahm auch am Montag weiter zu. Der israelische Rundfunk überträgt den Prozeß ebenfalls live, das Fernsehen wollte am Montag nachmittag beginnen, täglich im Schulprogramm live aus dem Prozeß zu berichten.
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