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■ ÖkolumneSauna im Keller? Von Thomas Worm

Ihr Wortschatz ist markig. Angewidert brandmarken sie den Hedonismus der „Umweltschickeria“. Rechtspopulisten haben die eigentlich Schuldigen an der Ökomisere ausgemacht: „Die Vertreter der grünen Elite verhalten sich oft wie Umweltschweine.“ Unter dem Titel „Die Öko-Pharisäer“ (das Buch erscheint im September) will der demoskopiegeschulte Gunnar Sohn die „Sozialdemokratisierung“ der CDU aufhalten und eine Herrschaft des „ökologischen Jakobinertums“ in Deutschland verhindern. Berufsstationen des Autors: Konrad-Adenauer-Stiftung, Noelle Neumanns Allensbacher Demoskopie-Institut, Zeitschrift Capital, Pressesprecher des Dualen Systems Deutschland.

Der Lautsprecher für den Grünen Punkt bleibt sich treu, auch wenn er schreibt. Das muß man ihm schon lassen. Er hat auch den sogenannten Berliner Appell unterzeichnet, das Manifest der neuen Rechten, die sich einer angeblichen Hexenjagd ausgesetzt fühlen. Die Jäger sind mal die Roten, mal die Liberalen, grün paßt auch. Der stramme Sohn ist ja kein Einzelfall. „Umweltmultis“ – gemeint ist Greenpeace – und steuergeile „Ökokraten“ geraten ins Visier verschiedener Trendkommentatoren. Sie stellen die Legitimität des Ansinnens einer erdverträglichen Lebensart in Frage. Ausgestreckte Zeigefinger deuten auf das angebliche Prosecco-Regime von Heuchlern in Seidenhemden. Die Botschaft rechnet mit dem Neid der Dummen. Grüne Politiker und Umweltaktivisten seien eigentlich nur Leute, die mit apokalyptischen Ängsten Handel treiben. Erst erzeugten sie Weltuntergangsstimmung, um sich sodann als globale Retter anzubieten. Und das aus reinem Eigennutz: Abgeordnetensitze, Sponsoren- und Spendengelder, Meinungsführerschaft. Während die Ökoelite dem Normalvolk umweltfreundliche Enthaltsamkeit einhämmere, würde sie selber regelmäßig nach Bangkok oder Kapstadt jetten, chilenische Cabernets statt Moseltröpfchen schlürfen und den Dreiwege-Kat als unschlagbares Argument gegen die Netzfahrkarte nutzen.

Natürlich reden die Rechtspopulisten nicht von den persönlichen Ökobilanzen der Institutsleiter, Redaktionschefs und Medienprofis, aus deren Reihen sie sich rekrutieren. Sie sprechen nicht über sechsstellige Jahresbezüge und die Umweltkosten ihres verfeinerten Lebensstils. Sie streiten auch nicht ernsthaft darüber, wie nahe wir dem Klimakollaps wirklich sind, und welche Angewohnheiten vielleicht auch sie aufgeben müßten, wenn menschliches Leben auf der Erde eine Chance haben soll.

Ist es also nur die Projektion von heimlichen Bordeaux-Trinkern auf die Toskana-Fraktion, wenn unter Schlagwörtern wie Leistung, Pflicht, Ordnung und Disziplin die Genußsucht anprangert wird? Schön einfach wär's. Der institutionelle Aufstieg der Umweltbewegung hat tatsächlich ein laxeres Ressourcen-Feeling gefördert. Grünes Establishment sitzt heute in Kanzleien und Beraterbüros, Unis und Parlamenten. Als Bildungselite mit höherem Einkommen huldigt es häufig Konsumgewohnheiten, die nicht gerade der geforderten Nachhaltigkeit entsprechen. Das jedenfalls legen Untersuchungen nahe, wie die vom Europäischen Tourismus-Institut in Trier (1992): Umweltbewegte fliegen zum Beispiel weiter als die Bevölkerungsmehrheit, fahren öfter mit dem Auto in den Urlaub.

Sonderbonus für ökologische Vorkämpfer? Wer sich diesen Persilschein ausstellt, wird an Glaubwürdigkeit verlieren. Vielmehr sollte darüber gesprochen werden, ob die Forderung nach Steuern für Flugbenzin mit dem Kauf von Lufthansa-Aktien verträglich ist, oder die Effinzienzwirtschaft mit der Sauna im Keller.

Gewiß ist mit individuellem Verzicht wenig erreicht. Selbst wenn sämtliche Grünen-Anhänger ihren Ressourcenverbrauch dem eines Durchschnittschinesen anpassen, wäre das Trittbrettfahrersyndrom („Es macht sowieso keinen Unterschied, wenn ich ...“) keineswgs verbannt. Moralischer Anspruch verpflichtet aber zu persönlichem Handeln, und da niemand den genauen Weg in eine erdverträgliche Zukunft kennt, bleibt nur der offene Diskurs über Ziele und Mittel. Der Zirkel von Rechtspopulisten dagegen predigt eine verlogene Askese unter dem Diktat des freien Marktes. Diese geistige Mobilmachung will die Erneuerung gerade verhindern. Nicht die ökologische Dekadenz ist das Problem, sondern die ökologische Realität.

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