Sanssousi: Nachschlag
■ Eher was für Bekannte: "Prinz Leo" im Theater Reißverschluß
Foto: Thomas Aurin
Es war ein schöner Abend. Draußen. Drinnen, im Theater Reißverschluß hatte „Prinz Leo“ Premiere. „Prinz Leo“ wirbt mit netten Plakaten: „Küssen verboten“ oder „Thronfolger sucht Frau fürs Leben“. Oder auch: „Love Story. Action. Happy-End. Aber Theater“. Genauer gesagt ist's ein Drama in 32 Bildern von Thilo Baum. Versprochen wird auch „Kälte. Haß. Krieg. Und Zärtlichkeit“. Sehr dramatisch. Mit dieser Story hatte ein Laienschauspieler die Gelegenheit, seine Fähigkeit als Regisseur seines selbstgeschriebenen Stückes erstmals unter Beweis zu stellen. Ein Werkstatt-Experiment. Ein schiefgegangenes! Denn besser wäre es gewesen, das Werk dieses Kinder- und Jugendtheaters nur FreundInnen zu offenbaren und es dabei zu belassen. Doch die Presse war geladen. Ein harter Job, darum das Gute vorneweg: Der Prinz, Manuel Rivera, ist ein aufgewecktes Bürschchen und ein offensichtlich talentierter junger Schauspieler, der – anders als die anderen – nicht glaubt, schauspielen hieße, möglichst exaltiert über die Bühne zu gockeln.
Zwar ist das Stück offensichtlich grotesk angelegt, doch das wahre Vergnügen liegt im Maßhalten. Hier jedoch peilen die Stimmen die Schmerzgrenze des menschlichen Ohres an, es wird gebebt und gezittert, ein permanentes Aufbrausen und Aufplustern liegt in der Luft. Dies sind keine Figuren. Es sind Klischees. In 32 Etappen leiert das moderne Märchen vom pazifistisch-guten, wenn auch eitlen Prinzen vor sich hin. Sein im Sterben liegender Vater führt Krieg gegen Länder, in denen das Küssen erlaubt ist. Auf der Bühne liegt der Vater (Theaterleiter Joachim Stargard) amüsanterweise schon im Sarg, doch was er dort von sich gibt, können nur Reißverschluß-Fans ertragen, so maßlos dick trägt er sein Sterben auf. In dieser Situation versuchen zwei zackige Knaben-Generäle, die angeschlagenen Truppen zu mobilisieren und die Macht an sich zu reißen. Angeblich eine „Parabel über Diktatur und Revolution“. Natürlich gibt es ein Mädchen, das der Prinz liebt und küssen möchte. Netterweise ist ihr auch der Butler Marcel zugetan, weshalb uns das (fortschrittliche) Happy-End ein „glückliches Paar zu dritt“ präsentiert. Küssen erlaubt. Sonst spielen die Jugendlichen Klassiker programmatisch in ihren eigenen Worten. „Prinz Leo“ indessen war nicht nur „Theater vom Blatt“, sondern die ElevInnen bewegten sich außerdem in einem Regiekorsett, das sie zu hölzernen Marionetten werden ließ. Ach, wie schön war's draußen. Petra Brändle
Bis 13.5., Do.–So., 20 Uhr, Theater Reißverschluß, Kronenstraße 3, Mitte
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