Sanssouci: Vorschlag
■ Uz Isme Doma im Cafe Zosch
Die Musikentwicklung der verflossenen 20 Jahre – hin zum Punk und wieder weg davon – hat auch in Teplice, das kein böhmisches Dorf, sondern eine tschechische Industriestadt am Rande des Erzgebirges ist, stattgefunden. Die dort ansässige Band Uz Isme Doma formierte sich 1985, davor spielten einige ihrer Musiker in der legendären und zugleich populärsten Punkband der damaligen CSSR, F.P.B.
Inzwischen werden die Platten und CDs von Uz Isme Doma unter dem Begriff Avantgarde abgeheftet, obwohl in ihren spannungsgeladenen, oft von rasendem Tempo angetriebenen Songs die frühen 80er Jahre immer wieder frech durchschimmern. Mit Schlagzeug, zwei Gitarren, Tenorsaxophon, Baß, Piano, Synthesizer und fünf unterschiedlichen Stimmtimbres produzieren sie musikalische wie emotionale Stilbrüche, die im Resultat gefährlich nah am Kammer-Rock sind und eher mittelalterliche Stimmungen verbreiten als Zeitgeistwolken. Der Gesang dominiert, fasziniert am stärksten – inbrünstig und lauthals, mit variablen Chören im Background, die immer wieder an Orff erinnern, hin und wieder an Minnegesang. Verstärkt durch Echoeffekte öffnet sich der Raum dem vokalen Ohrenkitzel der Fünf. Komplexe Kompositionen treffen auf verballhornte Arrangements, romantische Saxophonsoli landen mitten in schroffen Gitarrenriffs, Schlagzeug und Stimmen mischen sich unerwartet ins Geschehen, der Song droht tumultartig zu enden. Alle Musiker powern mit voller Kraft voraus, und dennoch bleibt die Musik durchsichtig, jeder Ton hörbar, das Chaos ist nur scheinbar.
Der Bassist sieht aus wie einem futuristischen Comic entsprungen, am Saxophon tummelt sich eine Art Bodybuilder, der dem davongaloppierenden Schlagzeuger auf Schritt und Tritt, Tempo und Ton folgt, der Gitarrist schrubbt um sein Leben; alle toben gemeinsam, verzichten vollständig auf Ausbruchsversuche in solistische Virtuositäten.
Ohne erkennbaren Anlaß fängt die ganze Fünferband an, aus vollem Halse zu heulen, anschließend beglückt sie das Publikum mit einem tschechischen Seemannslied, um kurz darauf wieder voller Wucht altmodisches Achtziger-Flair zu versprühen; die unterschiedlichen musikalischen Parts verzahnen sich, trotz aller Divergenz. Düster und vital, bar jeglicher Seelensauce, aber überzogen mit einer psychedelischen Schicht, kommen die ansonsten zeitlosen Rauhhaar-Balladen daher, sind rhythmisch unterlegte Gesangsperlen, die trotz aller Vergangenheitsreminiszenzen keinerlei Patina angesetzt haben und sich im großen und ganzen zum Rock bekennen. Anna-Bianca Krause
Heute abend um 22 Uhr im Café Zosch, Tucholskystraße 30 in Berlin Mitte
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