Sanssouci: Vorschlag
■ Charles Brown, Blues Piano
„Charles Brown hatte gewaltigen Einfluß zu Beginn meiner Karriere“, gesteht Ray Charles. Und tatsächlich: Nie hat jemand Brown so originalgetreu kopiert wie Charlie selbst – außer vielleicht Nat King Cole, dessen Gesang auf seinen frühen Platten von Browns kaum zu unterscheiden ist. Auch B.B. King schwärmte: „Als ich das erstemal Charles Brown hörte, da schmolz ich förmlich dahin! Oh Gott, alle, die ich je liebte, konnte ich in seinen Songs wiedersehen, so gut war er.“
Schwer, dem noch etwas hinzuzufügen – auch wenn Browns Biografie kaum jemand kennt. Hierzulande war er bislang nur bei „Ohne Filter“ und „Schmidteinander“ zu sehen. Charles Brown, mit keinem anderen der vielen Browns im Showgeschäft verwandt, wurde 1922 in Texas City geboren, lernte an der Schule klassisches Klavier, wurde aber Chemielehrer. Anfang der vierziger Jahre zog er mit -zigtausend anderen Afroamerikanern nach Los Angeles. Mit einer Interpretation von „Warsaw Concerto“ gewann er dort im Schwarzenghetto Watts einen Talentwettbewerb. Er schloß sich dem Gitarristen Johnny Moore an und verdiente bald das Fünffache seines Lehrergehalts.
Charles Brown war fast im Alleingang der Trendsetter der als „Club-Blues“ bezeichneten Variante am weitverzweigten Stammbaum des Blues. Mal aufmunternd im Boogietempo, mal melancholisch skizzierte er in den Weltkriegsjahren die Stimmung des Verlassenseins und der Ungewißheit der in L.A. auf die Rückkehr ihrer Soldaten wartenden Frauen, Mütter und Brüder. – Der „Drifting Blues“, Browns erste Platte, erschien 1946 unter dem Namen „Johnny Moore's Three Blazers“ und preschte auf Platz zwei der Rhythm-and-Blues-Charts. Ihr „Merry Christmas Baby“ kam ab Dezember 1947 drei Jahre in Folge in die Top Ten der Hitparaden. Der Sänger Charles Brown war der eigentliche Star, obwohl namentlich meist nicht genannt. Im Streit verließ er das Trio und schaffte nahtlos eine Solokarriere. „Trouble Blues“ und „Black Night“ waren jeweils 14 Wochen auf Platz eins der Charts.
Mitte der fünfziger Jahre, als sich aus dem schwarzen Rhythm and Blues der weiße Rock'n'Roll entpuppte, war der sanfte Balladenstil des „schwarzen Sinatra“ dann nicht mehr gefragt. Jahrelang tingelte er durch kleine Clubs. 1960 tauchte Brown nochmals kurz mit „Please Come Home For Christmas“ in den Charts auf, bevor er endgültig aus dem Bewußtsein der Öffentlichkeit verschwand. – Verschiedene Comeback-Versuche waren kurzlebig. Erst als Bonnie Raitt ihn im Vorprogramm auf Tournee nahm, wurde der elegante und überaus eloquente Oldtimer Charles Brown zum Medienstar. Sein Klavierspiel und die etwas rauher gewordene, aber immer noch einschmeichelnde Stimme sind ja auch eine willkommene Abwechslung in dem Blues-Einerlei, das die junge Generation heute anbietet. Norbert Hess
Heute und morgen, 22 Uhr, Quasimodo, Kantstraße
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen