Sanssouci: Vorschlag
■ „Magic Afternoon“ von Wolfgang Bauer im Podewil
Die Welt ist ein schlecht aufgeblasener Gummiball. Läppisch verknautscht hängt er in den toten Zweigen einer Seelenwüste, der Wolfgang Bauer – einst Enfant terrible der österreichischen Theaterlandschaft – schon 1968 die stumpfen Worte lieh. Damals rissen seine abgestumpften No-future-no-fun-Gestalten die Welt noch aus dem festen Gestell eines Globus und stürzten ihn ins Klo, heute lohnt die Mühe kaum noch. Die Luft ist definitiv raus aus dem Weltenball, und Joe und Charly kicken die müde Pille ein paarmal heftig durch den Raum, bevor sie in jenem modrigen Tümpel landet, der die Inneneinrichtung so bedeutungsschwanger ziert.
Das Bühnenbild, für das gleich drei Namen einstehen, läßt keinen Zweifel an seinem symbolischen Charakter. Über der Szene hängt ein monumentales Gitter, durch das die Scheinwerfer alptraumschwer das Gefängnismuster drücken. Es fällt auf ein merkwürdig verformtes Bett, in dem ebenso verformte Seelen sexerheischend rangeln. Zärtlichkeit, gar Liebe, fallen da nicht in die weichen Federn. Was Charly mit Birgit, was Joe mit Monika treibt, befindet sich schon lange jenseits aller Gefühlsfähigkeit.
Vier hilflose Menschen kreisen um sich selbst, ohne jemals irgendeinen Mittelpunkt zu finden. Unbeleckt von jedem politischen Impetus artikuliert sich da eine Generation frustrierter Dreißigjähriger, denen die Gesellschaft keine Lücke ließ, sich anzupassen. Das Potential der Revolte hat sich in einen bizarren Leerlauf gesteigert, der sich einzig vor dem eigenen Spiegelbild oder vor den Augen der Clique abreagieren darf. Grenzenlose Langeweile speist die Aggression und die Ahnungslosigkeit, wie der Malaise zu begegnen wäre, schnell löst sich die Gewalt aus ihrer Umzäunung. Da wird eine Umarmung ohne weiteres zum Schwitzkasten und eine freundlich gemeinte Berührung zum blutunterlaufenen Kratzer.
Die Inszenierung von Stefan Bausch hat versucht, den ursprünglichen Naturalismus der Szenerie zu hintertreiben, in dem sie die schütteren Worte des Anfangs zu Einzelszenen zerhackstückt. Das Immergleiche der großen Sinnlosigkeit ist in zahlreiche Blacks getaucht, die den Zusammenhang aussparen, und auch später scheint es, als würden solche Time-outs den Fluß des Spiels behindern. Damit aber fehlt, um was es gehen könnte: der konsequent einsichtige Ablauf einer durch Hilflosigkeit und Unschlüssigkeit genährten Gewalteskalation.
Den Schauspielern fällt es sichtlich schwer, den ausgebliebenen Affront des Stücks zu überdecken. Denis Petcovic als dahindilettierender Schriftsteller ohne Werk und Harry Blank als posierender Möchtegern-Draufgänger ohne Revier gelingen zwar zusammen einige glaubhafte Momente hilfloser Männer – Kameradschaft, die sich in übertriebenen Umarmungen und Küssen ergeht, doch bleiben sie ihren Figuren seltsam fremd, stellen in Posen und Gängen nur aus, was das Stimmungsbarometer gerade anzeigt. Ebenso die Frauen. Anke Fleuter und Sabine Steglich stapfen nicht minder äußerlich herum, sie zeigen eine latente Erotik, die sich nicht ausleben darf, und erstarren zu Abziehbildern. Das große Nichts erstickt in langweiliger Künstlichkeit – und das provoziert nicht mal. baal
„Magic Afternoon“: 23.–25., 27.–30.9. im Podewil.
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