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SanssouciNachschlag

■ "Verrückte Nähe" im Kesselhaus der Kulturbrauerei

„Verrückte Nähe“ heißt eine literarische Veranstaltungsreihe, die in diesen Wochen in Berlin und im Land Brandenburg abgehalten wird. In Lesungen und Diskussionen soll ein weiterer Versuch unternommen werden, Ost und West zusammenzubringen, Vorurteile abzubauen, Kontroversen aufzudecken. Wie vielschichtig und kompliziert dieser Vorgang ist, zeigte sich einmal mehr im Dialog zwischen Hans-Joachim Maaz und Margarete Mitscherlich am Donnerstag abend in der Kulturbrauerei.

Fremdenhaß und Gewalt sollten unter psychologischen Aspekten beleuchtet werden. Margarete Mitscherlich zitierte aus Briefen und Gesprächen mit gewaltbereiten Jugendlichen aus den neuen Bundesländern und schloß daraus, daß die Unfähigkeit zu trauern auch bei den jetzt Befragten zu Desinteresse an historischen Vorgängen führt. Die Leiden der Opfer des Naziregimes werden nicht wahrgenommen. Statt dessen beklagen die Halbwüchsigen, daß sie ihre Liebe zu den Nazigrößen in der DDR nicht ausleben durften, daß es ihnen verwehrt war, Symbole offen zu zeigen und sich zu identifizieren. Mit dem Verweis auf nicht stattgefundene Aufarbeitung der Nazivergangenheit nach 1945 in der Bundesrepublik schlug Mitscherlich den Bogen zu jetzt ablaufenden Vorgängen in den neuen Ländern.

Hans-Joachim Maaz las aus seinem gerade erschienen Buch „Entrüstung“, erinnerte ein weiteres Mal an die fehlende Auseinandersetzung mit den in der DDR vorhandenen Strukturen und beklagte die Sündenbock-Diskussion, die statt dessen über Stasi, Kirche und Partei geführt wird.

Im anschließenden Gespräch zementierte dann jedeR seine Position: Mitscherlich verteidigte die Demokratie der alten Bundesrepublik, Maaz stellte diese in Frage und vertrat die Ansicht, gleiche autoritäre Erziehungsstrukturen hätten in Ost wie in West letztlich zu den gleichen Folgen, nämlich Fremdenhaß und Gewalt, geführt. Während Margarete Mitscherlich sich sichtlich um Verständnis für die Situation der Menschen im Osten bemühte, zog sich Maaz immer wieder in die Rolle des Angegriffenen zurück, verteidigte sich und seine Landsleute gegen Vorwürfe, die gar nicht erhoben wurden, und stellte ernsthaft die Frage, ob die DDR-Bürger überhaupt eine andere Chance gehabt hätten, als Mitläufer zu sein.

Die Zuschauer – mehrere hundert waren gekommen – blieben unzufrieden und verlangten immer wieder konkrete Vorschläge, wie mit den Problemen praktisch umgegangen werden soll. Darauf blieben die Antworten der beiden Psychologen aus Ost und West recht vage. Fazit des Abends: wenig Neues, viel Theoretisches und Diskussionen, die schnell wieder versandeten. burk

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