Sanssouci: Nachschlag
■ Hartmann und Braun residieren zur Geisterstunde im BKA
Sie sind krankhaft boshaft und abgrundtief gemein. Sie lieben die Bloßstellung des jeweils anderen wie der Affe den Zucker, und sie suchen den Scherz mit Vorliebe dort, wo er am wehesten tut: in der offen ausgebreiteten Schwäche. Dabei werfen sie mit schneidenden Blicken und Worten hemmungslos um sich und treffen damit nicht nur ins immer breit hingehaltene Gesicht, sondern meist ins weit geöffnete Herz.
Hartmann und Braun alias Michael Altmann und Heinz Kraehkamp haben nicht ohne Grund in fast jeder ihrer Sketchnummern Sadismus und Masochismus zum großen Variationsthema gemacht: Sie proben das Hin- und Aushalten der menschlichen Materie mit atemberaubender Konsequenz: Realität und Fiktion werden ununterscheidbar. Zwei Komiker, wie sie in dieser genialen Zusammenstellung höchstens zweimal pro Jahrhundert zu haben sind, geben sich um Mitternacht ein schräges Stelldichein im BKA, das kein tiefsinniger und lachfertiger Geist verpassen sollte.
Selten endet ein Sketch der beiden wirklich mit der vorgesehenen Pointe – unterwegs zum finalen Lach-Point sind schon alle Register der schrägen Unfälle und absurden Einfälle gezogen, und jede Nummer wird zu einem weiteren Anlaß seltsamer Aus- und Einfälle. Wie die reinsten Pointenkiller gebärden sie sich dabei und proben weniger die Darbietung der makabren, nicht selten absolut seichten Sketche, sondern die Belastbarkeit des haßgeliebten Kollegen. Und selbstverständlich die des Publikums.
Stundenlang kann Altmann mit stoischer Ruhe beobachten, wie Kraehkamp durch den Raum stolpert und von der kleinen Ungeschicklichkeit in die große Katastrophe stolpert. Kraehkamp seinerseits feixt genüßlich mit knautschiger Gesichtsironie ins Publikum und brabbelt, was das Zeug hält, wenn Altmann zu sentimentalen Reisen in Philosophie und Tiefgrübelei anhebt.
Auf der kleinen, vor lauter Requisiten platzenden Bühne tobt unablässig eine Leidenschaft, die daher rührt, daß sich die beiden Protagonisten nicht als Teile eines gespielten Witzes begreifen, sondern mit der Gegensätzlichkeit ihrer Persönlichkeiten kalkuliert aufeinander losfahren und spontan nach der klaffenden Wunde schnüffeln. Kalt kann es einem den Rücken runterlaufen, wenn Kraehkamp den smarten Pianisten zur Sau macht, weil der beständig in seinen Auftritt hineinspielt – nicht aufgrund der schnöden Gemeinheit, sondern weil penetrant einsehbar ist, wie er am Rande seiner Minderwertigkeitskomplexe entlanglaviert. Demgegenüber ist Altmann mit jener eiskalten Ruhege wappnet, die geeignet ist, jede Gemeinheit auszuhalten, um dann mit hinterlistiger Schläue zur betäubenden Ohrfeige auszuholen.
Intelligenter und direkter, das heißt gemeiner und treffender, kann sich Komik wohl kaum ausagieren. Das Publikum muß auf der Hut sein, weil hinter der bissigen Zweisamkeit der ewig Streitenden, hinter der Lust auf Eskalation, das aufeinander einschlagende Komikerduo unverbrüchlich zusammensteht und den lachenden Zuschauer bis zur Gefühlsnacktheit entkleidet. baal
Freitags und samstags um 24 Uhr im BKA
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