Sanssouci: Vorschlag
■ „Die Nachtigall von Ramersdorf“ verabschiedet sich
Melancholisch regnet der Tag vor sich hin und will gar nicht aufhören. In „Ilka's Café“ sitzen die Gäste unter traurigen Silvesterrest- Girlanden und trinken Kaffee, Schnaps und Bier. Wenn der hagere Filmschauspieler und Sänger Friedrich Steinhauer nicht in seiner zweiten Heimat, dem „Babylon-Kino“ ist, dann ist er hier und trinkt einen Pfefferminztee. Vor ein paar Tagen erklärte er, er wolle nicht mehr in Kneipen singen. Während seine Feinde – die, die begeisterte Sonderlinge und seltsame Sänger nur in Filmen, nie in der Wirklichkeit mögen – aufatmen, sind seine Freunde recht traurig darüber.
Sie können wieder fröhlich sein, denn an einen endgültigen Abschied hat der kleine Star, der als Hauptdarsteller in Rosa v. Praunheims „Horror Vacui“ die Zuschauer zu Tränen rührte, nicht gedacht; eher an einen Neuanfang: „Ich will nur nicht mehr als ,Nachtigall von Ramersdorf‘ durch die Kneipen ziehen. Das kotzt mich langsam an. Ich heiße Friedrich Steinhauer und will auch als Friedrich Steinhauer berühmt sein. Ich will als Schauspieler, Sänger oder als Entertainer, wo ich die Menschen zum Lachen bringe, Karriere machen. Ich möchte ein berühmter Star werden und auch armen Menschen helfen.“
Der heutige Tag, den ihm das „Babylon-Kino“ gewidmet hat, könnte ihm dabei helfen. Um sechs Uhr beginnt die Veranstaltung mit dem Film „Horror Vacui“, in dem Friedrich kauzig, komisch, rührend und großartig den Mann einer Sektenführerin (Lotti Huber) spielt. Ab 20 Uhr singt er mit Klavierbegleitung Lieder von Marlene Dietrich, Zarah Leander, Edith Piaf, Theo Lingen, Lale Andersen („sämtliche Stars singe ich durch“), und um 22 Uhr läuft die Praunheimsche Anita-Berber-Verfilmung „Tänze des Lasters“. Friedrich Steinhauer hat übrigens heute Geburtstag: Herzlichen Glückwunsch!!! Detlef Kuhlbrodt
Friedrich Steinhauer: ab 18.00 Uhr im Babylon Mitte
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen