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SanssouciNachschlag

■ Wenzel und Mensching im Maxim Gorki Theater

Daß ihr Schiff sinken wird, ist von vornherein klar. Die Clowns aus dem Osten, Meh (Steffen Mensching) und Weh (Hans-Eckart Wenzel), haben den Untergang des Kommunismus überlebt und gerieren sich jetzt als uralte Matrosen: senil und trotzdem weise.

Zu Anfang verkünden sie, was ohnehin alle wissen: Die meisten, die in ihre Vorstellung kommen, erwarten Therapie – und wollen das Abschiednehmen lernen. „Der Abschied der Matrosen vom Kommunismus“ ist das vierte in einer Folge von Programmen, die (vordergründig) auf Ostdeutsche zugeschnitten sind. Denen, die nach Reminiszenzen aus dem Osten lechzen, werden die gewünschten Erkennungszeichen serviert: Meh und Weh – mit Hochwasserhose und Bademütze bekleidet, hatten sie schon immer etwas Maritimes an sich. So können sie problemlos die Klamotten von damals verwenden. Das gleiche gilt für die Requisiten: Schifferklavier, Notenständer, Rettungsring. Sie ziehen aus der Kulturkiste Ostdeutschlands, was zu holen ist, und verspielen es mit Leichtigkeit – schnoddrig, lakonisch, (selbst-)ironisch.

Clown Weh, der Große, Breite, und Meh, der quäkende Kleine, verdrehen die Wörter, schachteln Sätze und verrenken sich selbst: Slapstick, Zitatcollagen aus Kinder- und Arbeiterkampfliedern, Persiflagen auf Agitprop, Biermanns „Brecht-, Marx- und Engelszungen“ im Hinterkopf. Ihre Zuschauer sind größtenteils eingeweiht in die grotesken Chiffren (oder glauben es zumindest) und wollen stets das gleiche: Vertrautheit zelebrieren, Nestwärme. Das können nur Ostdeutsche verstehen war schon im Kabarett der DDR einer der wenigen Vorteile, die das Staatsvolk gegenüber Westdeutschen zu haben glaubte. Und das Publikum wird auf die immergleiche Weise bedient und genarrt.

Die beiden Pseudo-Greise flüchten dann auch schon mal in Zoten, die auf Anhieb interkulturell verständlich sind. Unter der verdorbenen Oberfläche gärt es allerdings. Bereits in einem der vorangegangenen Programme sangen Meh und Weh von der „dritten Welt als fünftem Rad“ – „wer übrigbleibt, verhungert“. Der Krieg zwischen der ersten und der dritten Welt erscheint als wiederkehrendes Fanal, diesmal explizit: „Sie werden kommen.“

Aber das ist bloß die Hälfte der Botschaft; der erhobene Zeigefinger vor der eigenen Nase lenkt nur fürs erste ab von dem, was dann doch unübersehbar ist: Die Clowns übernehmen die Rollen ihres Stammpublikums und verhunzen sie brillant. Beispiel Stasi: Matrose Weh, beichtend, bekennt sich zum Dasein als Kain; unstet und flüchtig, wie ein Matrose eben. Gemordet hat er nicht, aber verraten. Und er behauptet gleichzeitig, sein Bruder Abel zu sein. Das Ganze ist eine Variante zur Problematik siebzehn Millionen Opfer suchen siebzehn Millionen Spitzel. Gesellschaftsspiel, ostdeutsch: Sie suchen sich selbst und können sich ums Verrecken nicht finden. Nicht einmal verkleidet als Matrosen auf der Flucht, nicht vor Feuer- und schon gar nicht vor Helgoland.

Übrigens ist am Ende durchaus nicht mehr sicher, wer sich da überhaupt sucht: „Wir, wie wir jetzt Wir sind, oder wir, wie wir früher Wir waren?“ fragt Wenzel alias Weh. Nicht von ungefähr erinnern Teile des Programms an Methoden aus dem Kabarett der Siebziger, das für die westdeutsche Linke gedacht war: Die hat jetzt schließlich auch so ein Identitätsproblem. Friederike Freier

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