Sanssouci: Vorschlag
■ Johannes Ernst blies sein Sax in der Weddinger „Galerie Lebendiges Museum“
Allzu lange ist es nicht her, daß das Saxophon in der klassischen Musik salonfähig wurde, mittlerweile aber existiert in der Neuen Musik bereits ein recht ansehnliches Repertoire für dieses Instrument.
Der junge Berliner Saxophonist Johannes Ernst hatte sich in der Weddinger „Galerie Lebendiges Museum“, die sich in letzter Zeit recht intensiv um zeitgenössische Musik kümmert, ein reines Soloprogramm zusammengestellt.
Als Eröffnung des Abends wählte er Giacinto Scelsis selten zu hörende „Tre Pezzi“ aus dem Jahre 1961. Daß Scelsi mit Solokompositionen Probleme hatte, ist seit diversen CD-Einspielungen seiner Klavierwerke allgemein bekannt. Seine Solosaxophonstücke konnten, trotz der engagierten und feinsinnigen Interpretation von Johannes Ernst, diesem Eindruck nicht Einhalt gebieten; was sich da an harmlosen Cantilenen recht ziellos auf- und abbewegt, ist – verglichen mit Scelsis Orchester- oder Streichquartettkompositionen – schlichtweg belanglos.
Weiter ging's im Programm mit der als Höhepunkt des Abends angekündigten Uraufführung einer „Komposition für Saxophon und Tonband“ (die als Titel eben diese Bezeichnung trägt) von Isabel Mundry. Dabei war diese Uraufführung wohl längst überfällig geworden, handelte es sich doch um ein Auftragswerk im Rahmen der Berliner Kompositionsstipendien aus dem Jahre 1991.
Trotz offensichtlich guten Willens konnte aber Johannes Ernst auch diesem Stück, das verstreut ein paar Intervallketten spreizt, die vom Tonband, nach kurzer Introduktion konkreter Klänge nur noch lautstark und schroff interpunktiert werden, nicht zu mehr verhelfen, als es war: eine Komposition, bei der auch die Beteiligung des Tonbands nicht darüber hinwegtäuschen konnte, daß sie so ziemlich am Instrument vorbeigeschrieben ist, daß aber eben geschrieben werden muß, hat man ein Stipendium einmal erhalten. Blieb nach kurzer Pause noch Gerhardt Müller-Goldboom's „Air“, ein Stück, das so nett daherkommt, wie sein Titel und sämtliche zeitgenössischen Saxophon- Techniken derart konsequent umgeht, daß eine Transkription für Oboe sicherlich genauso einfach zu bewerkstelligen wäre wie eine solche für Posaune.
Den Abschluß des Konzertes bildete Witold Szaloneks „D.P.'s Five Ghoulish Dreams“, das in Berlin schon öfters zu hören war und an diesem Abend bewies, daß das Saxophon in der Neuen Musik nicht zwangsweise wie ein kastriertes Jazz-Horn klingen muß. Berauschend, wie Ernst hier sein Instrument beredt zum Flüstern, Atmen, Klappern oder Aufschreien bringt.
Den Saxophonisten Johannes Ernst wird man sich nach dieser für die etwas mißglückte Programmauswahl entschädigenden Darbietung des letzten Stückes wohl merken müssen. Fred Freytag
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