piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ Scäm Luiz im Huxley's Jr.

Wenn ich in die alte Heimat fahre und dort meinen kleinen Bruder treffe, reden wir öfter mal über Musik. Mein kleiner Bruder hört nur Metal, also reden wir über Metal. Schnell muß es sein und krachig. Trotzdem hat er ein Problem damit, das alle anderen auch haben. Metal sei so doof, was natürlich nicht richtig sei, denn Metal hat nur das Image, doof zu sein. Weil Metal das schon so lange mit sich rumschleppt, haben das auch irgendwann die Metaller mitbekommen. Mein kleiner Bruder natürlich auch. Deshalb finden sich in seiner Sammlung denn auch zwischen den jugendlichen Bon-Jovi-Sünden, dem Metallica-Pflichtprogramm und den Twisted-Sister-Peinsamkeiten die anspruchsvollen Aushängeschilder des Genres.

Da wären zum Beispiel King's X. Eine Band, die so höllisch kompliziert und gedankenvoll spielt, daß nicht nur unangenehme Erinnerungen an die Siebziger und damalige Klassik-Hardrock- Verschmelzverwirrungen aufkommen, sondern daß man ihnen auch nur sehr schwer folgen und die Rädchen im Kopf der Musiker förmlich trocken knarzen hören kann. Man sollte da zwar vielleicht noch nicht einen beherrschenden Trend hineininterpretieren, aber diese intellektuellen Feigenblätter werden akzeptiert jenseits der vielfältigen Grabenkämpfe, die in der metalverarbeitenden Industrie zwischen den Polen Mainstream-Sülze und Death-Wahnsinn ausufernd toben.

In Deutschland zuständig für Personen, die ihr Großhirn nicht an der Theke hinterlegen, sind Scäm Luiz. Das ethnisch gemischte Trio aus Bremen spielt, was man so gerne als anspruchsvoll bezeichnet. Geschmackssichere Intros, solide Rhythmusarbeit auf Funk-Basis, deftige Gitarren, mal ein bißchen Speed, aber vor allem einen satten Soul-Einschlag, der dokumentiert, daß der Metalschaffende sich nach allen Seiten offen zeigt. Den normalerweise alles erschlagenden Siebziger-Jahre-Vorwurf lassen sie sich gerne gefallen, denn dies hört sich nicht nur so an, dies soll Classic Rock sein. Gemeißelt aus härtesten Materialien, geschliffen mit dem Wissen um alle Dekaden der Musikhistorie, gestählt im Bad der Moderne, gemacht für die Ewigkeit. Nicht für Geld, nicht für Groupies, nicht einmal für weltlichen Ruhm. Hier geht es ums Walhalla, um den Rock-Olymp.

Und der ist den Bremern fast sicher, denn schon jetzt finden sie sich in der Sammlung eines jeden ehrlich betroffenen Krupp- Jüngers. Ähnlich zeitlos und konsenssicher wie der musikalische Ansatz sind denn auch die in den Texten verarbeiteten Themen. Vor allem die Tragik der Liebe und ein Teelöffel Sozialkritik fürs sanfte Ruhekissen.

Mein Bruder legt Platten auf in der örtlichen Dorfdisco. Scäm Luiz sind immer dabei. Dann tanzen zwar weniger Leute, aber nicht so doof muß auch mal sein. Manchmal hat auch mein kleiner Bruder richtig guten Geschmack. Thomas Winkler

Am 10.3. um 20 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 108-114

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen