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SanssouciVorschlag

■ Ice Cube, Da Lench Mob im Huxley's

Weil Ice-T und sein Versuch, mit der Band Body Count auch den traditionell weißen Metal-Markt zu infiltrieren und dort seine rüden Kommentare zur amerikanischen Gegenwart loszuwerden, die US-Öffentlichkeit so über die Maßen beschäftigt, können sich in seinem Windschatten jede Menge mindestens genauso radikale, aber oft wesentlich durchdachtere und diffizilere Standpunkte etablieren. Da Lench Mob sind pure Provokation für die weiße Rasse. Schon der Titel ihrer aktuellen LP „Guerillas In The Mist“ ist eine Anspielung auf den Rodney-King-Prozeß, wo einer der vernommenen angeklagten weißen Polizisten das schwarze Opfer als „Gorilla im Nebel“ bezeichnete. Die Platte beginnt mit einem Vortrag (keinem Rap!) über die Vergangenheit und Gegenwart der Hinrichtungen in den USA. Haarklein werden Daten aneinandergereiht, ohne Kommentar sprechen sie für sich: „...three states still hang their condemned... the youngest person facing death was 16 years old...“

Das Trio aus Los Angeles zeigt auf, daß der Gangstarap erfolgreich über sein das Selbstbewußtsein fördernde Schwanz- und-Knarren-Gehabe hinausgewachsen ist. Die Sozialkritik ist durchdachter, stützt sich mehr auf Fakten und Aufklärung, anstatt nur die Sprache der Straße zu vertonen. Parallel zur semantischen Ebene entwickelt sich auch die musikalische fort von möglichst harten, möglichst tanzbaren Beats hin zu wunderbar klaren, sparsam gesetzten Schlägen. Da werden psychedelisch ausgebremste Funk-Riffs und Soul-Bläser genauso gesampelt wie Maschinenklänge.

Doch Da Lench Mob sind nur Vorspiel für das eigentliche Hauptereignis. Und es wird ihnen eine Ehre sein, denn Ice Cube ist ihr Pate. Der Lynch-Mob kommt aus der Posse von Ice Cube, wurde von ihm produziert und gefördert. Trotz aller Nähe unterscheidet sich Ice Cubes HipHop doch deutlich. Zuerst natürlich durch nur eine Stimme, die auch weniger auf technische Fertigkeiten achtet, als vielmehr deutlich zu vernehmen sein soll. Außerdem ist Ice Cubes Organ eben auch schon Markenzeichen. Seine Samples sind wesentlich rockiger, hin und wieder klingt die Neueste, „The Predator“, gar nach Industrial. Gerne spielt er auch Originalstimmen (oder welche, die zumindest so klingen) aus den Medien ein, einmal gar ein Interview mit ihm selbst.

Politisch gesehen ist Ice Cube vielleicht der inzwischen wichtigste Rapper. Zum einen, weil die bisher Etabliertesten in Schwierigkeiten stecken: Ice-T wird von allen Seiten angegriffen, Chuck D. von Public Enemy ist still geworden, und KRS-One von Boogie Down Productions hat sich vom Gangstertum verabschiedet und repräsentiert nicht mehr alle internen Widersprüche des HipHop. Da sich Ice Cube immer mehr von Gangstarap weg und hin zur politischen Rede und Analyse entwickelt hat, aber trotzdem noch nicht vom Infragestellen des Gewaltmonopols des Staates läßt, ist er inzwischen fast in die Rolle von KRS- One als von nahezu allen akzeptierter Leitwolf gerückt. Thomas Winkler

Heute um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108-114

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