Sanssouci: Nachschlag
■ "Der Eismann kommt" im Deutschen Theater
„Die Philosophie ist, daß immer ein Traum übrigbleibt, ganz gleich, wie tief man gefallen ist.“ Eugene O'Neill hat dieses Credo vor über 50 Jahren in seinem Drama „Der Eismann kommt“ szenisch ausgestaltet. Darin geht es um eine schnapsselige, sich in ihren Illusionen gegenseitig stützende Gesellschaft in einer New Yorker Absteige. In diese nicht unglückliche Notgemeinschaft von Ertrinkenden kommt der ehemalige Saufkumpan, jetzt in jeder Beziehung nüchtern gewordene Handelsvertreter Hickey. Er will ihnen die Augen über ihre Lebenslügen öffnen. Aus „morgen, morgen“ soll „heute“ werden, aus dem „ich könnte ja“ ein „ich kann ja nicht“. Ängste, Trostlosigkeit und Leere sind bodenlos. Als sich jedoch herausstellt, aus welcher Not Hickeys Desillusionierungswut geboren wurde, ergibt sich die Gemeinschaft – verunsichert zwar, aber doch erleichtert – wieder dem Sog ihrer „hochprozentigen“ Wunschträume.
Dieses wunderbar traurige, bitter-komische Stück lebt von seinen präzise ausgestalteten Männerrollen. In dreieinhalb, ganz auf die Schauspieler konzentrierten Spielstunden zeigt Regisseur Rolf Winkelgrund ein klar konstruiertes Kaleidoskop menschlicher Hoffnung und Einsamkeit. Eberhard Keienburg gestaltet die Pension mit gekachelter Decke und nostalgischem Kneipeninventar als eine Mischung aus Schlachthaus und Hinterzimmeridylle. Durch vier vergitterte schmale Fenster blickt man in den nachtblauen Himmel, eine Schwingtür führt in das gleißende Nichts des Tages. Hervorragend die Darsteller: Herausgehoben seien Jörg Gudzuhn, der seinem Hickey mit gehetzter Launigkeit deutlich psychotische Züge verleiht; Dietrich Körner, der als Ex- Anarchist Larry den Weisen im Pennergewand spielt; Reimar Baur, dessen Pensionsbesitzer Hope weinerlich, grantig und kindlich aggressiv eine Art Großmutterposition einnimmt, sowie Eberhard Esche, der seinen englischen Hauptmann würdevoll plump und prägnant britisierend gibt. Als Gast vom Maxim Gorki Theater spielt Götz Schubert den kleinbürgerlichen Don Paritt, der seine Mutter der Polizei ausgeliefert hat. Er bewegt sich in der Gesellschaft der Schiffbrüchigen wie ein Musterschüler in einer Hardrock-Kneipe: bleich, steif, spitznasig und manisch konzentriert. Neben Claudia Geisler und Katharina Waldau ist Ulrike Krumbiegel als eine der Nutten zu sehen. Sie zeigt deutlich ihr Talent zum Komischen und Schnoddrig-Deftigen. Wer sich diese Inszenierung nicht ansieht, ist selber schuld. Petra Kohse
Nächste Aufführungen am 7. und 19.4.
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