Sanssouci: Vorschlag
■ Der Dauergeheimtip Television Personalities im Huxley's
Warm und wohlig, mit einem leichten Kribbeln in den Muskeln. Verträumt den Schlaf aus den Augen reiben, die Arme strecken, herzhaft gähnen. Die Television Personalities klingen wie zu spät aufgewacht. Eine Band, die seit ihrer Gründung im Dornröschenschlaf liegt und immer noch nicht vom Prinzen wachgeküßt wurde. Der Prinz hieß Kommerzialität, aber er hat sich offensichtlich durch die Rosenwände abschrecken lassen, obwohl er dahinter ohne Zweifel fündig geworden wäre.
Die Television Personalities erfanden schon 1977, in dem Jahr also, das auf immerdar das beste von Punk sein sollte, die New Wave. Fügten der Frechheit und dem rüden Umgangston des Punkrock mit der eigenen Vergangenheit eine gute Portion Popbewußtsein hinzu. Und die Verbissenheit, mit der die Lederjackenträger ihre Mission betrieben, ergänzten sie durch zynischen Humor, der dem englischen Punk damals abging.
1977 veröffentlichten sie „Part-Time-Punks“ und hatten damit den ersten Independant-Hit, auch wenn damals ein Independent-Bewußtsein noch gar nicht vorhanden war. Und jeder spürte, daß keine andere Punk- oder New-Wave-Band ein solches Potential zur künftigen Hitfabrik hatte, wie die fortan stetig wechselnden Mannen um das verschrobene Genie Daniel Treacy. Doch der große Erfolg fand immer wieder ein Schlupfloch, um aus dem verwunschenen Schloß zu entwischen. 1993 sind sie zwar längst Kult und ihre Stücke, die persönliche Lieblingshymnen geworden sind, unzählbar, aber immer noch ein Geheimtip. Fragt sich nur von was. Von New Wave ist nicht einmal soviel Asche übriggeblieben, daß man ihr Frieden wünschen könnte. Die Television Personalities sind das letzte Häufchen Aufrechter aus einer Zeit, in der man noch hoffen durfte, daß guter Geschmack und guter Humor eines Tages – wenn schon nicht die Welt – dann doch wenigstens die Charts beherrschen würde.
Die vertane Chance hat Freund Treacy selbst erkannt. Auf dem 1992er Album „Closer To God“ singt er selbstkritisch oder ironisch: „Oh, the train's gone past my station / Oh bloody hell / I wish I'd signed to Creation / This record is sponsored by Pepsi / I've taken three e's / But I still can't dance like Bobby Gillespie.“ Aber keiner muß Angst haben, daß die Television Personalities den HipHop in Massenwirksamkeit erreichen – weder die Rapper noch die TVP-Fans, die es sichtlich genießen, solch gute Musik nach mehr als 15 Jahren immer noch im exklusiven Kreis hören zu dürfen. Treacy wird uns noch lange als Kultgegenstand erhalten bleiben, es sei denn, er küßt sich eines Tages noch selbst wach, denn durch diese Dornenhecke aus Verschrobenheit kommt niemals nicht ein Prinz. Thomas Winkler
Heute um 21 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 108-114.
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