Sanssouci: Vorschlag
■ Bulgarische Filmwoche im Arsenal
Bulgarien nach der Wende. Der Regisseur Wladimir Andrejew filmt Todor Schiwkows heilige Hallen. Die Kamera gleitet in Zeitlupe durch die riesigen Räume des Regierungspalastes in Sofia. Mit dem ungläubigen Staunen eines Kindes sucht sie immer wieder die endlosen Flure. Sie dokumentiert eine versunkene Macht, die hier so unwirklich und geheimnisvoll erscheint, als sei sie Jahrtausende entfernt. Der Regisseur kommentiert in seinem 1993 entstandenen Film „Die Zitadelle“ weder mit der Kamera noch mit dem Text; mit langen Einstellungen, ohne Schwenks, führt er die kalte Pracht immer neuer Säle vor. Nur wenige Detailaufnahmen dürfen die beklemmende Leere stören: riesige Kronleuchter, ionische Kapitelle, gedrechselte Balustraden. Fotos zeigen Häuser der Jahrhundertwende, die den Krieg unbeschädigt überstanden hatten und dann für diesen sozialistischen Repräsentationspalast abgerissen worden waren.
In der bulgarischen Filmwoche vom 26. bis 31. Mai zeigt das Arsenal Dokumentarfilme und Spielfilme des bekanntesten bulgarischen Regisseurs, Rangel Waltschanow – Filme, die den Umgang mit der Vergangenheit aus heutiger Perspektive belegen, wie Andrejews „Zitadelle“ und Filme, die während der sozialistischen Diktatur entstanden, wie zum Beispiel Marin Matschewskis „Unser Dorf“ (1979) und „Rennfahrer“ (1981). In beiden Filmen dokumentiert Matschewski Nischen der Gesellschaft, die kleinen Fluchtmöglichkeiten aus dem reglementierten Alltag: Chor, provisorisches Fotolabor, selbst zusammenmontierte Rennautos. „Selber bauen, dann weißt du, was du gemacht hast“, sagt einer der Dorfbewohner über seine „Seifenkiste“, „und wenn du dir den Kopf einschlägst, weißt du, wie's gekommen ist.“ Martschewskis „Rennfahrer“, beliebt beim Publikum, wurde abgesetzt, nachdem der Regisseur das Land verlassen hatte.
Auch Rangel Waltschanow war Repressionen ausgesetzt. Seine Filme wurden nicht gezeigt, er bekam weder Geld noch Material für Produktionen. Sein Debütfilm „Auf der kleinen Insel“ (1958) über das Leben politischer Häftlinge und ihre Flucht wurde in Bulgarien verboten. Ende der sechziger Jahre fand er in Prag Freunde, die ihm während des Prager Frühlings die Arbeit an zwei Filmen ermöglichten. Das Arsenal zeigt eine Auswahl seiner Filme aus den Jahren 1958 bis 1986. Waltschanow, Martschewski und einige andere Regisseure sind zur Filmwoche angereist und werden im Anschluß an die Vorführungen mit den Zuschauern diskutieren. Uta von Arnim
Die bulgarische Filmwoche läuft vom 26.5. bis 31.5. im Arsenal.
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