Sanssouci: Vorschlag
■ The Wipers im Loft
Eigentlich hieß es Ende des Jahres 1988, die Wipers hätten sich aufgelöst, und die damalige Platte „The Circle“ sei das Abschiedsgeschenk an die ewig Getreuen. Greg Sage, Mastermind der Band, kam dann zwar noch mit dieser Platte unmittelbar danach auf die „The Circle Tour“, allerdings mit der ominösen „Electric Medicine Show“, ein komplizierter Name für ein schnödes Baß-Drum-Gefolge.
Jetzt heißt Greg Sage wieder Wipers und feiert die Reunion einer Band, die eigentlich immer nur aus ihm bestand. Die Wipers (oder eben Greg, die Säge) sind eine der beständigsten, langdauerndsten Institutionen des amerikanischen Gitarrenuntergrunds. 1977 wird ihr Geburtsjahr notiert, 1979 gab es die erste Langspielplatte, „Is This Real“, und seitdem relativ unregelmäßig, teilweise in Europa nicht erhältliche Veröffentlichungen, da Underground für Greg Sage nicht nur eine bestimmte Art von Musik bedeutete, sondern immer auch eine selbstbestimmte Arbeitsweise. Wipers-Platten kamen und kommen immer auf kleinsten Labels heraus und sind – natürlich – immer in völliger Eigenregie von Greg Sage produziert worden, Unabhängigkeit pur, und das seit 16 Jahren. Leicht passiert es dann auch mal, daß eine Platte mangels Geld im eigenen Wohnzimmer aufgenommen werden muß – wie bei Sages sogenannter Soloplatte „Sacrifice (for love)“ geschehen. Dieser eigenwillige Status wird durch die Musik noch mal in anderer Form ausgedrückt, denn Wipers-Platten strahlen immer ein Maximum an Melancholie und Verlassenheit aus, eingebettet in primitivste, nach vorne getriebene (im besten Sinne dieser Metapher) Baß- und Gitarrenläufe.
Greg Sage ist der einsame Wolf, der sich den Schmerz von der Seele schreit und in seinen Stimmungsbildern eine geradezu pervers anmutende Freude am Alleinsein oder Nicht-verstanden- fühlen ausdrückt und vermittelt. Und für die immer gleichbleibende Trio-Besatzung fand Sage mal den passenden Vergleich vom „Schlagzeug als Herzschlag, Gitarre und Gesang als Seele und dem Baß als der Planet, die Schwerkraft, die alles zusammenhält“. In dieser Form haben sich die Wipers ihren ganz eigenen Charakter geschaffen, mit zunehmenden Jährchen auf den Gitarrenringen verschwand aber schon das Wütende und das Rasende. Es wich einer ruhig-melancholischen Würde, die auf den zwei Soloplatten sowieso das bestimmende Element war, immer mehr aber auch Eingang in die Wipers-Alben fand. „Silver Sail“, das neue Album, ist geradezu ein Alterswerk geworden, das nur hie und da noch einen Ausbruch in gewohnter Wipers-Manier enthält, ansonsten trifft in langsam-getragener Weise eine rauhe Schönheit auf tiefes Sentiment. Gerrit Bartels
The Wipers spielen heute um 20.30 im Loft.
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