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SanssouciVorschlag

■ „Travelogue – Twenty to eight“ im Theater am Halleschen Ufer

Kämpfe und Krämpfe der Liebe: „Der Tango macht mit uns, was er will, treibt uns herum und auseinander und dann wieder zusammen“ (Jorge Luis Borges). Daß das nicht nur im fernen Argentinien so ist, sondern auch in Kreuzberger Wohngemeinschaftsküchen, zeigen Sasha Waltz und Nasser Martin-Gousset in „Travelogue – Twenty to eight“.

Weit entfernt von allem Pathos, spüren die beiden zu Piazzollas Tangoklängen den alltäglichen Gesten der Begierde und den Gesetzen von Lockung und Zurückweisung nach – es ist nicht einfach, das zu bekommen, was man sich gerade wünscht. Derweil Betty Fridge (Sasha Waltz) frustriert auf dem Küchenstuhl hockt, legt der Liebste mit bloßem Oberkörper einen Verführungstanz hin; kein nachgemachtes machohaftes Imponiergehabe, sondern eine schlichte und etwas unbeholfene Offenbarung – und genau eine Sekunde zu spät reagiert sie: Liebe ist auch eine Frage des richtigen Timings. „Dieses Stück begann auch mit unserer Leidenschaft für Filme und Stars, und wir beschlossen, unsere eigenen Helden zu werden. So unperfekt und häßlich und zur selben Zeit so schön, wie wir nur sein konnten“, schreibt Sasha Waltz im Programm.

Seziert wird die Bedeutung des Unbedeutenden. Das Surren der Nähmaschine führt die Näherin „Takako Suzuki“ in einen orgiastischen Zustand, getanzt wird zum Geklapper des Geschirrspülens ebenso wie zu Tango- und Streicherklängen (Musik: Tristan Honsinger Quintett). Die Küche, der Schauplatz des Banalen schlechthin, ist der Ort, an dem die drei Tänzerinnen und zwei Tänzer dem Höhepunkt zutreiben – was den einzelnen Liebenden nicht gelingt, transformiert sich in die Dynamik der Inszenierung: Ihr Rhythmus ist wie guter Sex. In der großartigen Schlußszene wieseln die TänzerInnen mit ruckartigen disperaten Bewegungsabläufen wie zu besten Stummfilmzeiten über die Bühne. Die sich beschleunigenden Wiederholungen kleinster Gesten lassen die Traurigkeit einer Zurückweisung ins Groteske abstürzen. Bildern aus der Zeit, als diese gerade das Laufen lernten, werden durch den auf der Bühne präsenten Körper neue Dimensionen abgewonnen. Michaela Schlagenwerth

Heute und morgen um 20 Uhr im Theater am Halleschen Ufer.

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