Sanssouci: Nachschlag
■ Brauchen wir eine neue Frauenbewegung?
Der Rückschlag tobt auf ganzer Linie: Frauen werden vom Arbeitsmarkt verdrängt, Abtreibung ist rechtswidrig, und jüngst wurde mit Steffen Heitmann ein Politiker zum Präsidentschaftskandidaten gekürt, der meint, Frauen müßten sich zwischen Kindern und Beruf entscheiden, und ihnen rät, sich wieder stärker auf die Mutterschaft zu konzentrieren – gerade so, als habe es in Deutschland nie eine Frauenbewegung gegeben.
Der richtige Zeitpunkt also, über den Stand der Frauenpolitik zu reflektieren und erneut aufzubrechen. „Brauchen wir eine neue Frauenbewegung?“ hieß die provokante Frage, mit der die Zukunftswerkstatt Berlin am Montag abend zur Diskussion ins Rathaus Schöneberg lud. Doch trotz des wohlbesetzten Podiums blieb die Analyse dünn: Die Frauenbewegung steckt in der Krise, da war frau sich einig. Aber warum? Die ökonomischen Themen drängten alles andere in den Hintergrund, meinte Michaele Schreyer, stellvertretende Fraktionsvorsitzende vom Bündnis 90/ Grüne. Frauenpolitik werde als Luxus verstanden, den man sich in Wohlstandszeiten, aber eben nur dann, leisten könne. Frauenpolitik sei nicht überall im Blick, kritisierte Sybill Klotz vom Unabhängigen Frauenverband. Das Thema ist zwar von Parteien und anderen Institutionen absorbiert worden, „die Verantwortung wird aber an frauenpolitische Sprecherinnen, Senatorinnen und Frauenprojekte delegiert“. Das gelte nicht nur für Organisationen, sondern auch für die Frauen außerhalb: „Wir alle delegieren, wenn Empörung angesagt ist, und jede wartet, bis die andere puscht“, meinte Halina Bendkowski, Männerforscherin und Reisende zwischen autonomer und institutionalisierter Frauenpolitik.
Die Frauenbewegung sei jammernd und trist, überaltert und unfreundlich, so lautete weitere (Selbst-)Kritik nicht nur von Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD). Aber auf die Frage „Warum sind wir so unattraktiv?“ wußte keine eine Antwort. Klar ist allen: Spaltungen zwischen Ost- und West-, eingeborenen und eingewanderten, autonomen und institutionalisierten Frauen müssen überwunden werden; neue Bündnisse sind gefragt. Bloß wie? Die Arbeitsteilung zwischen Frauen endlich zu nutzen, anstatt sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben, das war eins der wenigen Diskussionsergebnisse: Frauen müßten endlich „Seilschaften“ entwickeln und sich gegenseitig promoten; Frauen, die ihren Weg machen, unterstützen und ihre Stellung nutzen. Mehr Geld und größere Professionalisierung – siehe USA – sei vonnöten, ein positiverer Machtbegriff und neuer gesellschaftlicher Gestaltungsanspruch würden gebraucht. Neu ist diese Erkenntnis nicht. Aber warum sollte es hier auch anders sein als sonst in der Bewegung? Ein neues Bündnis soll nun mit dem bundesweiten Frauenstreiktag am 8. März verwirklicht werden. Vielleicht sogar ein neuer Aufbruch. Sabine am Orde
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen