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SanssouciVorschlag

■ Elisabeth Wandeler-Deck und Günter Heinz im Brecht-Haus und im „Wolkenbügel“

„Ich höre Schritte vom Quai her näher kommen so weit herum innerhalb meines Hörens ohne zu sehen, denke ich, Wartespiel, der Kollege fährt mit der Frau weg, eine Schulter im Rückspiegel, etwas Gesicht, ein anderer fährt auf das leer gewordene Viereck, die Standplätze bilden eine Insel in der Mitte des kleinen Platzes.“ Sätze wie dieser, aufeinandergestapelte Momentaufnahmen, denen die Gedanken auf den Fersen bleiben müssen, sind das Markenzeichen der Schweizer Autorin Elisabeth Wandeler- Deck. Die studierte Architektin, Soziologin und Psychologin, die Ende der siebziger Jahre die erste psychologische Beratungsstelle für Frauen in Zürich aus der Taufe hob, ist nicht nur eine minutiöse Beobachterin. In ihren Texten ist das Wechselspiel zwischen Innen- und Außenwelt so eng miteinander verstrickt, daß die Rolle der distanzierten Rezipientin schier unmöglich wird. Zudem gibt die Prosa Wandeler-Decks, mit ihren percussiv gesetzten Satzzeichen und verschiedenen, simultan nebeneinander herlaufenden Strängen, einen strengen Rhythmus vor, der die musikalische Ebene von Sprache hörbar macht.

Daß Texte dieser Art ihre volle Wirkung erst entfalten, wenn sie laut vorgetragen statt im Bett gelesen werden, hat die Autorin bewogen, mit Komponisten und improvisierenden MusikerInnen in einen öffentlichen Dialog zu treten, zum Beispiel mit dem Posaunisten Günter Heinz. Der Musiker, der über die Mathematik zur Improvisation kam, ist bekannt für seine Experimentierlust und eine Stilgrenzen überschreitende Arbeit. Er ist ein zurückhaltender, sensibler Bläser, der einzelne Töne auskosten kann und seinen BühnenpartnerInnen Raum und Zeit gibt.

„Sprechvertritte: Nein. Rolltreppen. Text, überschrieben, durchquert, ausgelassen, eingesäumt“, nennen die beiden ihre aktuelle Zusammenarbeit, bei der sie auch Gesampeltes einsetzen. Vorgefertigtes Material – Sprachbruchstücke, Stimmen, Musikfetzen, Sounds – wird collageartig mit einer zusätzlichen Schicht Live-Musik und -Text versehen, die auch improvisierte Parts enthält. Anna-Bianca Krause

Heute abend um 20 Uhr im Literaturforum im Brecht-Haus und morgen, Freitag, um 20 Uhr im Literaturcafé Wolkenbügel.

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