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SanssouciNachschlag

■ "Tanz durch Gang"

Foto: Andreas Stierl

Die Bühne ist durch Gitterstäbe vom Zuschauerraum getrennt. Links sitzen drei schwarzgekleidete Frauen. Auf ihren Schultern kleben weiße Federn, kunstvoll zur Form eines Vögelchens drapiert. Weiter rechts sitzt ein kleines Mädchen im weißen Hochzeitsgewand. Von der Decke baumelt ein Strick, der ihren Hals schnürt. Am rechten Rand vor dem Gitter befindet sich eine Ritterrüstung, die sich später als Huhn entpuppt.

Das Bild stammt aus Jo Fabians neuer Inszenierung „Die letzte tanzende Kommunistin vom Prenzlauer Berg“, die am Wochenende auf dem internationalen Theaterfestival „Tanz durch Gang“ Premiere hatte. Es ist eine Verbeugung vor dem Absurden im Theater. Während die drei Grazien zu asiatischen Klängen tanzen, zählt das Mädchen in einer Endlos-Leier auf, was es im Kommunismus alles nicht mehr geben wird: Schuhe, Schokolade, Schwestern. Immer wieder zitiert Fabian ironisch Elemente der Wilson-Ästhetik in seinen Choreographien.

Das Theater unterm Dach, das dieses Festival nun schon zum zweiten Mal veranstaltet, mausert sich unter der Leitung von Fabian zu einem Forum für postmodernes Theater. Insgesamt waren sieben nationale und internationale Gruppen und Solisten auf dem Festival zu sehen. Die Londoner Gruppe Krakeel präsentierte ihr neues Stück „Dirty“. Steve Valk (USA), ehemaliger Dramaturg von William Forsythe am Frankfurter Ballett, stellte mit „Ex. In diesem Raum“ sein erstes Projekt vor: Eine lustige Performance der Performance, ein Spiel über Improvisation und Inszenierung.

Eine Entdeckung war die Tanztheatergruppe „Nats Nus Dansa“ aus Barcelona, die mit ihrem Stück „Smocinc“ erstmals in Berlin gastierte. Präzise und humorvoll werden Gefühle, Situationen und Konstellationen durch zeitgenössischen Tanz pointiert und konturiert. Die Choreographie von Toni Mirca ist exzellent rhythmisiert, ihre Sprache zielt auf Verständlichkeit.

Fabians Vorliebe für Ironie war das Erfolgsrezept des Festivals. Trotz des programmatisch verordneten Experiments wurde nicht angestrengt um neue Formen gerungen. Den meisten Inszenierungen, die Fabian vorstellte, liegt die wohltuende Einsicht zugrunde, daß sich das ästhetisch Neue nicht mit Gewalt erzwingen läßt. Andrea Kern

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