Sanssouci: Vorschlag
■ Taschenrechner-Akustik im Schauplatz-Theater
Synchron zur schrägen Musik zappelt der Vorhang hin und her, ehe er sich dauerhaft öffnet und das neueste Fundstück des Kreuzberger Schauplatz-Theaters präsentiert: den Multimedia- Künstler Placebo Domingo und seine weinenden Taschenrechner. Hinter einem Tisch voll Technik und Kabelgestrüpp zelebriert der Künstler seine digitale Ästhetik. Vier antiquierte Taschenrechner werden weniger optisch als vor allem akustisch vorgestellt. Zunächst meldet sich ein brutal-aggressives Modell mit dem treffenden Namen Rowdy, dessen laut-monotones Brummen an Techno-Sound oder Kettensägen erinnert. Gleich darauf offenbaren die Rechner aber auch ihre sensiblen Seiten. Immer zaghafter werden ihre Laute. Das Surren, Rascheln und Knistern weicht schließlich einem leisen melancholischen Fiepen. Mit sterbenden Batterien und unter den unbarmherzigen Griffen von Domingo beginnen die Rechner fast menschlich zu weinen, so daß sich plötzlich die Frage nach der Verletzbarkeit von Technik stellt. Die Taschenrechner-Performance endet mit einem furios chaotischen Rechner-Quartett, das die Vielfalt des Sounds noch einmal zur Geltung bringt.
Placebo Domingo ist mit seinen Taschenrechnern bereits einmal im „Frisör“ aufgetreten. Hat er damals zuviel geschwiegen, so redet er jetzt zuviel: Die Konzentration auf den rasanten Wechsel der Klanginstallationen wird durch fortwährende Erklärungen etwas gestört. Doch da im Schauplatz-Theater anschließend noch das dadaistische Theaterstück „Plattenbau mit Mona Lisa“ zu sehen ist, eine rasante Aufführung, in der Martin Betz und Ulrich Berger B.Z.-Artikel, barocke Cembalo-Musik, aktuelle Poesie und Schlager der vierziger Jahre collagieren, ist der skurrile Abend im Ganzen doch gelungen und empfehlenswert. Wolf Gorch Zachriat
„Können Taschenrechner weinen?“ von und mit Placebo Domingo, noch heute, 20.30 Uhr, Schauplatz-Theater, Dieffenbachstraße 15, Kreuzberg.
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