Sanssouci: Vorschlag
■ Afghan Whigs im Huxley's
Foto: Verleih
Immer, wenn von den Afghan Whigs die Rede ist, wird das gesamte Alternativ-Rock-Establishment zu Hilfe genommen, um Art der Musik und Größe der Band entsprechend zu würdigen. Ihr wird von Dinosaur-jr.-Schmiergeligkeit über Pearl-Jam-Pathos bis zu Urge-Overkill-Glamour alles attestiert, was in den Neunzigern Rang und Namen verspricht, und das amerikanische Musikmagazin Spin wußte es schon vor zwei Jahren: „SubPop's next bomb is about to explode.“ Auch die Band selbst versuchte sich in letzter Zeit erfolgreich an einem Imagewandel, der sie von ehemals nachlässiger grungyness zum elegant-oberflächlichen Dandytum führte und als „new men“ auf dem schnellsten Weg in Blättern wieVanity Fair, The Face oder dem NME landen ließ. Dort konnte Greg Dulli, Hirn und Texter der Band, ausgiebig über seine Neigung zum Soul plaudern und sich als geiler, cooler und schöner soulman verkaufen, der die Supremes in rockistische Kontexte bringt.
Allerdings machen die Whigs mit ihren eigenen Songs durch Karrieregelüste dieser Art immer noch einen dicken Strich, denn der 92er Platte „Congregation“ wie auch dem Major-Debut „Gentleman“ fehlen korrekt undergroundig die Zutaten, die für Tanz-, Kopfnick- oder Mitgrölkompatibilität unerläßlich sind. Obwohl die Songs haufenweise supermelodiöse und gängige Refrains aufweisen, halten sie doch oft genug eine Schleife und eine Unterbrechung zuviel bereit und scheinen die einzelnen Songteile weiterhin eher bestrebt zu sein, in alle möglichen Richtungen auszubrechen, als sich an einem Punkt zu bündeln. Zu undurchsichtig die Songanlagen und zu vielfältig gebrochen auch die Balladen, um in dreiminütiger Schnelle einzunehmen. Greg Dullis Obsessionen und Seelenabgründe, über die er in den Liedern zartbitter und elegisch Auskunft gibt – und die per Cover- art schon im Kinderzimmer spekulativ ihren Ursprung haben – tun ein übriges, um (noch) nicht im Tagesprogramm des beliebten Fernsehsenders oder auf Greatest-Hits-Compilations für die Neunziger zu landen. Folglich ist es durchaus möglich, daß die Afghan Whigs in nicht allzuweiter Ferne ihre Alben mit „They could have been bigger than the Beatles“ (Nirvana?) betiteln, statt unplugged Platten und Sessions zu machen. Und damit eher zu ewig melancholisch-kultischer Verehrung als zu schnell vergänglichem Teenagerruhm gelangen. Gerrit Bartels
Heute, 21 Uhr, Huxley's Jr., Hasenheide 108–114, Neukölln.
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