Sanssouci: Nachschlag
■ Tanzhaus-Gespräch
Jo Fabian tut es. Nicht immer und auch nicht immer öfter. Nein, eher immer seltener – aber immerhin: Er macht Kunst ohne Geld. Daß die Finanzsorgen der Künstler real sind, daß es schwierig ist zu arbeiten, wenn man keinen bezahlbaren Probenraum findet, ist klar. Die Kunst geht nach Brot. Davon wußten schon die Minnesänger ein Lied zu singen, und seitdem hat das kein Ende gefunden. Bei einem Gespräch, zu dem das Tanzhaus die Choreographen Jo Fabian (Theater unterm Dach) und Gisela Müller (The Move Company) und als Gesprächleiter den Tanztheoretiker Johannes Odenthal am vergangenen Freitag in die Akademie der Künste am Hanseatenweg eingeladen hatte, kam man am Thema Nummer eins natürlich nicht vorbei.
Für Jo Fabian, dem der Beirat für freie Gruppen für seine Gruppe Example Dept in diesem Jahr 130.000 Mark zugesprochen hat, hat das Geldgerangel etwas Obszönes. „Eine Logik, die sich weg von der künstlerischen Produktion und hin zu finanziellen Vorgaben bewegt“, erscheint dem Choreographen absurd. Diese für die Kreativität notwendige Denkweise, konnte man sich bisher nur innerhalb der – gesicherten – städtischen oder staatlichen Institutionen erlauben. Mittlerweile auch da nicht mehr, wie Johannes Odenthal belegte: Reinhild Hoffmann, die sich in Bochum den Luxus leistete, in fünf Jahren nur zwei Produktionen vorzuzeigen, ist schlicht und einfach weg vom Fenster. Das Tanztheater wird dort im kommenden Jahr ersatzlos gestrichen. Der qualitative Sprung, der Reinhild Hoffmann mit ihren einsamen Produktionen „Zeche Eins“ und „Zeche Zwei“ in diesen Jahren gelungen ist, interessiert nicht. Erfolgszwang ist angesagt, und das gilt für die freien Gruppen fast noch mehr als für die großen Institutionen. Freiräume, wie die gesicherte Spielstätte Theater unterm Dach, sind selten geworden. Hier realisiert Jo Fabian mit wenig Geld seine kleinen und manchmal genialischen Entwürfe, die ihn in kürzester Zeit zu einem der interessantesten Protagonisten der Berliner Tanzszene machten.
Nicht die finanziellen Sorgen, sondern die Tatsache, daß man letztendlich keine Alternative zu den festen Institutionen gefunden hat, ist für Johannes Odenthal das grundlegende Problem der freien Szene. Eine politisch orientierte Tanzentwicklung hat mehr an den etablierten Theatern als bei den Freien stattgefunden. Die Institutionalisierung einiger unabhängiger Gruppen und den Rückgriff der Opernhäuser auf freie zeitgenössische Choreographen (da man selber keine ausgebildet hat) sieht er als eine sich deutlich abzeichnende Entwicklung. Die von ihm herausgegebene Zeitschrift tanz aktuell hat sich mit der im Sommer vergangenen Jahres in Konkurs gegangenen Konkurrenz Ballett international zusammengeschlossen und sei an dieser Stelle wärmstens empfohlen. Michaela Schlagenwerth
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