Sanssouci: Vorschlag
■ Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs spielen im K.O.B. / Damien Hirsts Schmetterlinge in der DAAD-Galerie
Foto: Veranstalter
Hamburg ist die Stadt, wo – den Berliner Lassie Singern zufolge – Jesus Dich und die Musiker liebt und wo sich, ein paar Jährchen ist es schon her, wohl darob die Neuen Musikwilden etablierten. Hamburg war und ist der Ort, wo ein Blumfeld herrlich postpubertäre Lyrik bis zur Telegenität beförderte, die angejahrten Mastino sich nicht zu blöd waren, HipHop zu fabrizieren, und Ostzonenwürfelmachenkrebs, „absolut nicht frei“ vom örtlichen Geklüngel, ihre Beiträge zum Pop Noise leisteten. Es ist ein bißchen still geworden um die einst so totgelobten Hamburger Jungmusiker, obwohl die meisten von ihnen immer noch ärmlich, aber unverdrossen in den Studios schuften. Aber das hat bekanntlich was mit Moden und ihrem Verschleiß zu tun.
Dieses Mal also Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs, nicht mehr ganz rund, aber gesund und in Berlin. Ein kleiner Flohzirkus mit einem neuen Album, das „Keinseier“ betitelt ist. Ein passend komischer Name für einen passend komischen Bandnamen, so deucht es uns, und dann noch in einem Studio aufgenommen, das „Angeber Studio“ heißt. Würden wir Comics lesen, was wir nicht tun, so müßten wir jetzt „Har Har“ machen, aber eigentlich ist die Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs-Chose (sicher längstes Wort, was ever in dieser Zeitung stand) nicht ganz so lustig. Was die Band-Vita angeht, so war von „etwas über den Zenit gegangen“ und partieller Trennung zu lesen. Der Gitarrist Tilman entschwand im Frühjahr '93 in einen passiven Mitgliederstatus. Von „strukturellen Veränderungen“ und „Verortung“ (!) war die Rede, vor allem aber von Sprachlosigkeit, weswegen die Suppenwürfelmusik jetzt eine instrumentale ist. Wenn man die Schnelldurchlauftaste am CD-Player drückt, klingt es ein bißchen nach dem, was man keinesfalls Gitarrengewitter nennen darf, denn dieses Wort steht auf dem Index des guten Stils. Die erneuerten und abgedünnten Suppenwürfel werden wohl einige ihrer alten Jünger verschrecken, wenn sie heute mit Helgoland und Johnny Brown auf der Bühne stehen. Anke Westphal
Heute ab 21 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Tiergarten.
VorschlagDamien Hirsts Schmetterlinge in der DAAD-Galerie
Die Räume des DAAD sind verglast, der Besucher wandelt durch verglaste Gänge. Hinter den Scheiben flattern handtellergroße tropische Schmetterlinge, bei deren Organisation das Schmetterlingshaus auf dem Buga-Gelände in Britz half. Die Puppen von zehn bis 15 verschiedenen Arten indes werden alle paar Tage von einer Firma aus Malaysia angeliefert. An Bambusstäben, die wie Kunstobjekte aussehen, in der Schmetterlingszucht aber üblich sind, hängen die Puppen gereiht. Die ausgeschlüpften Tropenfalter flattern zu den mit Nessel verkleideten Fenstern, zum Licht oder zu den künstlichen roten Mohnblumen, deren Oberfläche täglich mit Zuckerwasser bestäubt wird. Auf dem mit transparenter Plastikfolie ausgelegten Boden gesellen sich in diversen Anordnungen Batterien gewöhnlicher Pflanzen dazu. Sie werden, wenn vertrocknet, von den Angestellten einer Gärtnerei ausgetauscht. Warum bekommen die Schmetterlinge Zucker, die Pflanzen aber kein Wasser?
Damien Hirst benennt als zentrales Thema den Tod: Werden und Vergehen. Da die Pflanzen etwas zäher sind als die bunten Falter, gibt man ihnen also kein Wasser. An den Wänden der Verpuppungsräume hängen von Beauftragten gemalte monochrome Bilder. Sie möchten uns die Frage stellen nach: Kunst – künstlich – echt und Natur. Tatsächlich ist ein monochromes Gemälde genauso ein Teil der Natur wie eine importierte Falterpuppe. Damien Hirst gibt an, die Frage der Trennung von Kunst und Leben zu stellen, und sagt: „Ich will keine Entscheidung vorführen.“ Er hat sich jedoch längst für die Kunst entschieden. Und da ist sie auch schon, die Vereinigung von Kunst und Leben: Ein mit Nessel bespannter Keilrahmen, auf dem einige Leisten mit Schmetterlingspuppen montiert sind. „Ich will Kunst zu Medizin machen. Und ich denke: Warum geht man nicht in eine Galerie, sieht sich die Dinge da an, glaubt an sie! Das könnte alles wunderbar sein.“ Vorzustellen ist das schon, daß einige Künstler es gerne hätten, daß ihre Schöpfungen angebetet werden. Viel schöner finde ich zu wissen, daß sie genauso korrupt und normal sind wie Kirchenfunktionäre. Was will der Künstler noch: „Ich will die Menschen mit meinen Objekten emotional berühren, sonst haben sie keinen Sinn.“ Was sagte doch Schlagersänger Rex Gildo: „Ich glaube mit ganzem Herzen an das, was ich singe.“ (Bravo 14/74) Nicht zuletzt deshalb berührt Rex Gildo noch heute die Menschen tief. Ich empfehle ein Rex-Gildo-Konzert und einen Zoobesuch. Wolfgang Müller
„Good Environment For Coloured Monochrome Paintings“, bis 29.5., täglich 12.30–19 Uhr, Kurfürstenstraße 58, Tiergarten.
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