Sanssouci: Vorschlag
■ Malerei mit anderen Mitteln: „AFM“ – Ausstellung in der Galerie Anselm Dreher
Es ist Frühsommer in Berlin, und die Pfingstrosen gedeihen prächtig – auch in der Galerie Anselm Dreher: Das Arrangement aus Blumentöpfen und alten Autoreifen, das der Genfer Künstler John M. Armleder dort ausstellt, könnte jedem besseren Vorgarten zur Ehre gereichen. Doch sind die Grenzen zwischen den einzelnen Kunstgattungen seit langem fließend. Der 45jährige Armleder, dessen Arbeiten zuletzt in der Ausstellung „Post Human“ in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen waren, hängt Skulpturen als Bilder an die Wand, verwandelt Innenräume in dreidimensionale Gemälde, oder, wie jetzt in Berlin, spießige Blumengebinde in minimalistische Objekte. Und so werden die von sattem Grün gerahmten, faustgroßen Blüten in Rosa, Gelb, Orange und leuchtendem Purpur zu Farbinseln im Galerieraum, zur Malerei mit anderen Mitteln. Für Olivier Mosset, den zweiten der drei Schweizer Künstler, die die Galerie Anselm Dreher derzeit präsentiert, ist der Zugang zu seinem Metier ein ähnlich zwang- und zielloser. Bekannt wurde Mosset – 1944 in Bern geboren und heute in New York ansässig – mit seinen Malaktionen, die er ab Mitte der sechziger Jahre zusammen mit der Pariser Künstlergruppe BMPT (Daniel Buren, Mosset, Parmentier, Niele Toroni) veranstaltete. Ziel dieser Aktionen war, ein neues Kunstverständnis zu verbreiten. Malerei sollte nichts anderes sein als Malerei, keine Illusionen mehr wecken, sich keiner Ideologie (außer der eigenen) andienen. Da wurde unter Umständen schon mal gar nicht gemalt, wie 1967 zur Pariser Biennale: Damals blieben die hinter einem Podium aufgehängten, nackten Leinwände, die eigentlich noch in einer Art Happening gestaltet werden sollten, unberührt. Statt dessen wurden die Ausstellungsbesucher pausenlos mit BMPT-Manifesten beschallt.
Im ersten Raum der Galerie Dreher hängen nun vier von Mossets in diesem Jahr enstandenen „Diamond paitings“: einfarbig bemalte, auf die Spitze gestellte Quadrate von etwa 60 Zentimeter Seitenlänge in Silbergrau, Dunkelbraun, einem hellen Ocker und einem künstlich wirkenden Himmelblau. Hier existieren nur Farbe und Leinwand – die Inhalte, so Mosset, der die Schweiz auf der letztjährigen Biennale in Venedig vertreten hat, sind längst korrumpiert. Mossets Gemälde genügen sich in ihrem stoischen Gestus. Sie sind einfach nur da. Eine Welt für sich. Wie Mosset wohnt auch Sylvie Fleury, mit 33 Jahren die jüngste im Bunde, in New York. Sie hat seit einiger Zeit ein immer wiederkehrendes Thema, die Wirkungsweise von Medien und Werbung. In ihrer aktuellen Installation ist eine Wand in dem für Fleury reservierten Raum über die ganze Fläche in einem knalligen Rosa angestrichen. In diesem im wahrsten Sinne strahlenden Ambiente taucht lediglich ein einziger Satz auf: „C'est la vie“, der Name eines französischen Parfums. Gegenüber steht ein kleiner Bildschirm, auf dem im 30-Sekunden-Takt der Werbespot einer Kreation aus dem Hause Chanel vor sich hinflimmert: „L'Egoiste“. Und es ist schon merkwürdig: Erst wenn der Ton abgedreht ist, werden die Bilder wirklich sprechend. Ulrich Clewing
Noch bis 25.6., Öffnungszeiten: Di.–Fr. 15–19 Uhr, Sa. 11–14 Uhr, in der Galerie Anselm Dreher, Pfalzburger Straße 80, Wilmersdorf.
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