Sanssouci: Vorschlag
■ Seelenbalsam aus Neuseeland: Bailter Space im K.O.B.
Mittlerweile ist er schon fast legendär, der Sampler, der 1986 zum ersten Mal einer breiteren Indie-Öffentlichkeit Musik aus Neuseeland erschloß. „Tuatara, a flying compilation“, stellte ein buntes Spektrum teils obskuren und wunderlichen, teils wunderhübschen Pops vor und wirkte insbesondere Mitte der Achtziger stark depressionslösend. Auch eine Band namens The Gordons war auf Tuatara mit ihrem „Coalminer's Song“ vertreten; ein Lied, das schroff, sägend und ein wenig monoton, gleichermaßen Kippenberger-Epigonen und Achtziger-Jahre-Dandys, Fußballprols und gelangweilte Studenten aus noch langweiligeren Studentenstädtchen begeistern konnte. Schon damals, als der Sampler veröffentlicht wurde, waren die Gordons allerdings im Nirwana der Rockgeschichte verschwunden; sie tauchten aber, nach dem für neuseeländische Bands üblichen, inzuchtartigen Wechselspielchen, unter dem Namen Bailter Space wieder auf und schwirren nun schon mehrere Alben und Jahre lang durch Zeit und Raum.
Im Koordinatensystem von Pop gilt die Band leider nur als randständiges Objekt der Begierde, da sich überhaupt kaum noch ein Schwein für Kiwi-Musik interessiert, die im breiten Strom der alles aufsaugenden Trendiness untergegangen zu sein scheint. Grrrroßer Fehler, sie existiert und gedeiht in schöner, kleiner, feiner Blüte weiter, laß das gute Ding ruhig wachsen. Als Steigbügel dafür könnten Bailter Space herhalten. Ihre Musik ist Ausgleich, Beruhigung und Seelenbalsam für die FreundInnen „schräger“ und lärmiger Gitarren; für alle, die gelangweilt ob der hohlen Protzerei der alten, insbesondere amerikanischen Helden sein dürften, denen aber auch das mächtig an alle Türen klopfende homerecording etwas zu angerissen und skizzenhaft, zu wenig vollständiger Entwurf ist. Bailter Space verzichten auf jegliche, das wesentliche verschleiernde Attitüden. Sie konzentrieren sich auf ihren Sound, auf eine recht strenge Kompaktheit der Form, Gitarren und Samplermaschinchen. Ihre Songs machen glücklich und froh, sind semivisionäre Popwonneproppen, ohne Chance auf Hype oder kommerzielle Ausschlachtung, sind verliebt in Noisiness und Abgespacetheit, und – jetzt versuche ich mich mal in hand-made Waschzettellyrik, Copyright und Kontonummer siehe unten – spucken heiße Soundlava aus brodelnden Gitarrenvulkanen. Nun ja. Das klingt manchmal schwer und baßlastig-dumpf, ist keine Spur rockistisch, höchstens eine Idee zu konzeptionell. (So heißen ihre Platten „Thermos“, „Tanker“ oder „Robot World“, die Songs „Ore“, „Orbit“ oder „EIP“!). Klingt oft aber auch unerträglich leicht, denn Bailter Space vergessen natürlich nicht die obligaten Melodien, die kleinen Themen, die ja immer und überall am meisten Freude bereiten. Gerrit Bartels
Heute um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg.
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