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SanssouciNachschlag

■ Deutsch-schwarzweiß: Fotos von Bernard Larsson im Zeughaus

Bernard Larsson: 1. Mai, Berlin-West, 1964 Foto: Zeughaus

Das geteilte Deutschland, ein Zeit- und Systemvergleich in Bildern aus den sechziger Jahren, das ist das ambitionierte Thema einer Fotoausstellung im Deutschen Historischen Museum. „Zeitgleich“: Dreißig bislang weitgehend unbekannte Schnappschüsse des Bildjournalisten Bernard Larsson hängen in der Fotogalerie des Zeughauses. Und doch scheint es, als habe man diese Ausstellung schon hundertmal gesehen. Denn das Deutsche Historische Museum hat den Schweden Larsson, dem es als Angehörigen einer neutralen Nation erlaubt war, mit seiner Leica auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs auf Motivjagd zu gehen, zum Zeugen der Anklage gemacht.

Mehr als die üblichen Klischees sind dabei nicht herausgekommen. Wehende rote Fahnen am Lustgarten, gelangweilt auf ihren Auftritt wartende FDJler mit Ulbricht-Plakaten, DDR- Grenzer an der Mauer hier, Ludwig Erhard nebst hingebungsvoll lauschender Massen vor dem Reichstag, das brechend volle Strandbad Wannsee oder ein Familienfoto der Kommune 1 – die Karten sind verteilt, und die Westtrümpfe stechen. Sicher gab es auch ein paar Unregelmäßigkeiten damals. Unruhige Studenten und ein toter Benno Ohnesorg, der von einer Kugel aus der Pistole des Kriminalbeamten Karl-Heinz Kurras getroffen wurde. Im Ganzen aber schlummerte das Land tief und friedlich im Vertrauen auf seine Politiker, und Altbundeskanzler Adenauer konnte ja auch wirklich so staatsmännisch erhaben demokratisch dreinschauen (am Grab von Jakob Kaiser, dem verstorbenen Minister für innerdeutsche Beziehungen), wie es sich für einen Potentaten ziemt. Anders die Mächtigen der DDR: Sie herrschten über ein graues, tristes Land, nahmen hinter gigantischen Blumengebinden versteckt mit versteinerten Mienen 1.-Mai-Paraden ab oder kungelten am Jahrestag der Oktoberrevolution mit den Abgesandten der Bruderpartei aus Moskau.

Nur einmal wird an dieser Oberfläche gekratzt: Ein Bild zeigt eine junge Frau im eleganten Kostüm und mit wutverzerrtem Gesicht auf einer Anti-Schah-Demonstration in West-Berlin. Doch das ist nur ein kurzer lichter Moment in einer Ausstellung, die sonst die Welt scharfkantig in Gut und Böse trennt. Was stand als Einleitung am Eingang zur Ausstellung? „Während der Osten ohne Probleme scheint, gerät der Westen durch die Studentenrevolte in eine der ersten schwersten innenpolitischen Krisen.“ Am Ende war's andersrum: Aus dem Westen nichts Neues. Ulrich Clewing

Bis 2. August, täglich außer Mittwoch 10–18 Uhr, Deutsches Historisches Museum im Zeughaus, Unter den Linden 2.

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