Sanssouci: Vorschlag
■ Edith und Chris singen Piaf als Blues in der Zacher-Bar
Die Bar von Rolf Zacher – da denkt man doch unweigerlich an prominente Gäste, die in einer roten Corvette vorfahren. Am besten noch in Begleitung von zwei freizügig bekleideten Blondinen, so richtig halbseiden eben.
Doch all das trifft auf die Zacher-Bar absolut nicht zu – bis auf die Blondinen. Denn wer allein zum Promis-Begaffen kommt, wird enttäuscht. Ja, nicht einmal der Rolf Zacher ist da. Jedenfalls noch nicht. Aber dafür gibt's hier jede Menge junger Menschen, die den Eindruck machen, als ob sie Freunde hätten, die wiederum Leute wie Martin Semmelrogge kennen. Oder Dieter Krebs. Oder, wie ich einem Gespräch vom Nachbartisch entnehmen kann, einen Cousin haben, der jemanden kennt, der zumindest auf die Filmhochschule geht. Demnach passe ich ganz gut hierher; schließlich habe ich sogar Freunde, die einen Schauspieler kennen, der – genau wie der Zacher – in der Vorabend-Fernsehserie „Knastmusik“ spielt.
Im Hintergrund läuft Jazzmatazz, leiser Samtpfötchen-Jazz- HipHop. Musik, die nicht einmal der Mutter von dem Typ an der Filmhochschule auf die Nerven gehen könnte, aber einen idealen Rahmen für die Fleischbeschau bietet. Der gut gebaute schwarze Barkeeper mit dem bierdeckelgroßen Tattoo auf dem Schulterblatt weiß genau, was ihm steht: sein knappes Muskelshirt und die Hot pants lassen kaum noch Raum für die eigene Vorstellung. Freundlich lächelt er mir zu. Natürlich ist der junge Mann alles andere als ein gewöhnlicher Kellner. Er sei eigentlich Künstler und arbeite hier nur, weil er „den Rolf“ ganz gut kenne. Dabei fällt mir ein, daß ich ja ursprünglich geschickt worden bin, um Rolf Zacher nach Edith und Chris zu fragen, die hier auftreten sollen. „Der Rolf kommt bestimmt später; er schaut jeden Abend irgendwann einmal vorbei. Er ist dann immer so richtig drauf“, verrät er und macht dabei so eine Handbewegung, die mir signalisieren soll, daß mit Rolf Zachers Ankunft bestimmt die Post abgeht. Ob das der Grund dafür ist, weshalb präventiv alle Barhocker auf dem Fußboden festgeschraubt wurden? Über Edith und Chris kann mir der Mann hinterm Thresen auch nichts Genaues sagen: „Chris spielt Blues auf dem Piano, und Edith singt dazu Lieder von Edith Piaf.“ Blues und Chansons von der Piaf? Gleichzeitig? Der Barkeeper hat offensichtlich keine Ahnung. Aber er rät mir zu schreiben, daß die Zacher-Bar einfach der heißeste Laden der ganzen Stadt sei. Da ist was dran, denn selbst die drei großen Deckenventilatoren kommen gegen die unerträgliche Hitze nicht an. Letzte Woche soll sich ein Gast splitternackt ausgezogen und da drüben auf dem Hocker gesessen haben. Also vielleicht doch der total verrückte Laden, diese Zacher-Bar. Kirsten Niemann
In der Zacher-Bar gibt's allabendliche Live-Auftritte. Ab 22 Uhr in der Methfesselstraße 4; heute: Edith und Chris. 10 Mark Eintritt als Künstlerbeitrag.
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