Sanssouci: Vorschlag
■ Reanimations-Hotels und ein Gläschen Tee: Fantasy Filmfest *4*
Dem Flurfunk zufolge waren in Brian Yuznas „Necronomicon“ recht hohe Erwartungen gesetzt worden, zumal der Mann, der sonst „Miami Vice für Horror Fans“ herstellt, diesmal bei höheren Autoritäten geborgt und also drei Short Stories von H.P. Lovecraft verfilmt hat. Die Verzahnung der drei Episoden geriet aber, mit Verlaub, arg locker.
Sie besteht einfach darin, daß H.P. Lovecraft selbst im Jahre 1938 entdeckt, daß das Buch „Necronomicon“ in New York aufbewahrt wird, und zwar bei ein paar Glatzen-Mönchen. Er schleicht sich dort ein, holt das Buch aus dem Tresor, und ab geht die Post, es blitzt und donnert, die ersten Schlangen ringeln sich, und es folgt Episode 1: Ein Mann mietet das Hotel, vor dem sein Vater gestrandet und seine Geliebte bei einem Autounfall über die Klippe gestürzt ist, um alle wiederzuholen. Leider fließen aber die frisch Reanimierten, kaum hat man sie erkannt und freudig begrüßt und will zum Kuß schreiten, in übel riechenden, unschön aussehenden Substanzen auseinander, die den Fußboden schmutzig machen und einen jungen Menschen erschrecken können. Man sieht: auch hier wieder altes Inventar neu geplündert; ein bißchen B. Traven, ein bißchen „Naked Lunch“ und natürlich unzählige Splatter-interne Referenzen, die unsereins von der bürgerlichen Presse nicht so kennt.
Es ist lustig altertümlich, die knarrenden Holzbretter und die gespenstischen alten Bücher in Filmen zu sehen, für die Leute wie Screaming Mad George die Special Effects gemacht haben. Meine Lieblingsepisode jedenfalls: Ein Schmierenjournalist (pfui!) besucht eine junge Frau, der er Enthüllungen über ihr verwunschenes Haus androht. Sie erzählt ihm die Geschichte ihrer Mutter, die als junges Mädchen in eben jenem Haus eine Affäre mit einem gewissen Doktor Madden hatte, der seine zweihundert Jahre alt war und nur in Tiefkühl-Temperaturen überleben konnte, sonst zerfloß auch er (siehe oben). Aber er war eigentlich ein prima Kerl. Mutter ist während des Gesprächs angeblich in der Küche, und meine Lieblingsszene aus diesem sonst recht holprigen Werk ist, wie man kurz die Hände der Mutter aus der Küche zwei Täßchen Tee reichen sieht, und die Tochter sagt so nett: „Danke Mutter“, und man weiß ganz genau, daß man dieser Mutter nie begegnen möcht'...
An dem Abend folgte leider noch die Zersägung einer jungen Frau im Kindbett durch ihre Eltern (und ich verbitte mir jeden Vergleich mit „Rosemaries Baby“), die kurz zuvor noch in einem quatschenden Massengrab nach ihrem Freund suchen mußte; ein junger Bursche, der nach Introjektion einer CD-Rom durchs Haus geht und sein Unbewußtes trifft, und ein Videogame mit unangenehmen Begleiterscheinungen. Wer sagt denn, daß die Splatter-Produktion kein schlechtes Gewissen hat... mn
Fantasy Filmfest noch bis zum 10.8., im Filmpalast, Eiszeit & Brotfabrik. Aufgemerkt: Programmänderungen! Die wichtigste: „Pulp Fiction“ kommt am 10.8., 22.30 Uhr im Filmpalast.
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