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■ Kryptisch: Die Architekten Libeskind und Eisenman diskutieren in der Staatsbibliothek

Wenn Daniel Libeskind und Peter Eisenman, Architekten der sogenannten Dekonstruktivisten-Gruppe, miteinander reden, kann man sich auf kryptische, bisweilen amüsante Einlassungen gefaßt machen. Von Daniel Libeskind wird neben dem jetzigen Berlin-Museum das neue Jüdische Museum gebaut. Hier wird man erstmals sehen und analysieren können, inwieweit die Logik einer von allen Konventionen gelösten Architektursprache tatsächlich in Praxis, in Bau übersetzt wird. Libeskind arbeitet nicht mit herkömmlichen statischen Systemen und Raumkonfigurationen, er beleiht Philosophie, Literatur und Geschichte.

Ähnlich verhält es sich mit den Architekturen von Peter Eisenman, der die traditionelle Formensuche und -sprache ablehnt und sich einem Entwurfsprozeß überantwortet, der seine Ideen aus einer medialen Gesellschaftstheorie entlehnt. Zuletzt ist Eisenman mit einem völlig, im wahrsten Sinne des Wortes, überdrehten Entwurf an die Berliner Öffentlichkeit getreten. Im Auftrag der Max-Reinhardt-Erben entwarf er eine überdimensionierte Möbius-Schleife als Hochhaus auf dem Gelände hinter dem Bahnhof Friedrichstraße. Mit dieser abenteuerlichen Konstruktion konnte er bei den hiesigen Verantwortlichen für das Baugeschehen natürlich nicht landen, was man aber auch gar nicht bedauern muß. Da, wo Libeskinds Museum noch einen Gewinn für die Gegenwartsarchitektur darstellt, eben weil es aus dem Kontext gedacht ist und einem zuvor formulierten Funktionsprogramm gehorcht, fällt Eisenmans Entwurf völlig aus dem Rahmen (den er ja auch in Frage stellt). Eisenman läßt die konventionelle Stadt nicht mehr gelten, er sieht unsichtbare Ströme wirken in Form von Vernetzungen medialer und geistiger Art. Diese werden dann in vielen Schritten feinjustiert, überlagert, verschnitten, durchstoßen.

So werden wir heute ein entsprechendes Blitzen der Geister wahrnehmen, es wird garantiert geschimpft werden auf das Berliner Baugeschehen in der Südlichen Friedrichstadt. Auch wird man wohl vernehmen müssen, daß die Schwerkraft, die uns hinplumpsen läßt, wenn wir denn unnötigerweise stolpern, daß diese Schwerkraft nur Illusion ist und wir eigentlich gar nicht fallen dürften. Und daß die Häuser deshalb krumm und schief zu sein haben, weil sie ja eigentlich doch gerade sind, weil ja irgendwie alles schräg ist. Zwei zugegebenermaßen sympathische Männer – aber Architektur heißt auch, der Welt einen Sinn zu geben, und nicht, ihr diesen letzten auch noch zu rauben. Martin Kieren

Peter Eisenman: Architecture and the Zeitgeist: the Problem of Immanence; Daniel Libeskind: Chamberworks, um 18 Uhr im Otto-Braun-Saal der Staatsbibliothek, am Kulturforum.

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