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SanssouciVorschlag

■ Brasch im Theater Zerbrochene Fenster

In einer Welt immerwährenden Krieges kann die Liebe nicht siegen. So lautet Thomas Braschs nicht gerade originelle These. Rosa und Klara, seine beiden Protagonistinnen, spielen den Männermythos Krieg aus der Frauenperspektive, als schnell wechselndes Rollenspiel. Die beiden Freundinnen reisen an die Front vor Verdun, wo sie Rosas Ehemann, einen Soldaten, suchen. Sie werden aufgegriffen und in ein Lazarett dienstverpflichtet. An den Greueln, die sie dort erleben, gehen beide kaputt. Klara verhärtet völlig, während Rosa die Kraft ihrer Liebe all den Verwundeten und Sterbenden mit geöffneten Schenkeln anbietet. Klara denunziert sie zweimal: Das führt zunächst zu einer Versetzung als Hure ins Feldbordell. Später, nachdem Rosa das Kind ihrer Hingabe an der Front getötet hat, warten beide darauf, daß Rosa von der Polizei abgeholt wird. In der Inszenierung des Theaters Klappsitz ist der Tod vom ersten Moment an präsent. Die weißen, gesichtslosen Stoffpuppen, die über die Bühne verstreut liegen, sind Kinder und Leichen zugleich. Die wie Zwillingsschwestern gekleideten Frauen agieren in diesem Schützengraben des Lebens kampfeslustig und siegesgewiß.

Regisseur Bernd Rumpf rückt dem manchmal arg kopfigen Text mit klaren Bildern zu Leibe. Das ordnet und gliedert. Das Grauen des Krieges als Motor der Existenz übersetzt er mit einem Stück roten Stoff, einem Haufen weißer Wäsche und – vor allem – seinen Schauspielerinnen. Roswitha Dost als Rosa gibt ein Vollblutweib, das einem den Atem stocken läßt. Sie gurrt und schreit und faucht und stampft durchs Leben, unbeirrbar an die Wahrheit glaubend. Silke Geertz' Klara entwickelt sich vom energiegeladenen Abbild des Alter egos zu einem lebenden Stein. Die personifizierten beiden Seiten der gleichen Frau ergänzen sich perfekt. Auch das Lustspiel des Titels kommt nicht zu kurz. Pandarus, der trojanische Kuppler aus Shakespeares „Troilus und Cressida“, den der Autor als dramaturgischen Wink mit dem Zaunpfahl beigegeben hat, ist hier ein gealterter Schmierenkomödiant. Elmar Gutmann spielt ihn als schlurfendes Zitat aus der Mottenkiste der Theatergeschichte. Alles ist allem: Ein Schauspielfest der allerfeinsten Sorte, eindringliche, nie ins Manieristische abgleitende Bilder: Hingehen! Das vielgeschmähte Off hält manchmal doch Überraschungen bereit. Gerd Hartmann

„Frauen. Krieg. Lustspiel“ bis 3.10. jeweils Do bis Mo, 20.30 Uhr im Theater Zerbrochene Fenster, Kreuzberg

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